Karl Wolfskehl
Der Sohn des Bankiers und Politikers Otto Wolfskehl und seiner Frau Paula, geb. Simon, studiert Altgermanistik, Religionsgeschichte und Archäologie in Gießen, Leipzig und Berlin, 1893 wird er in Gießen über „Germanische Werbungssagen“ bei Otto Behaghel promoviert.
Fünf Jahre später zieht er nach München, wo er dem Kreis der „Kosmiker“ angehört und, wegen seiner Körpergröße „Zeus von Schwabing“ genannt, den gesellschaftlichen Mittelpunkt der Bohème-Bruderschaft darstellt. Die Kosmiker geben vor, dass Kunst und Leben nicht geschieden werden dürfen und forschen, wie etwa Ludwig Klages oder Alfred Schuler, Mysterienlehren jenseits monotheistischer Gottesvorstellungen nach.
Bereits 1893 hat Karl Wolfskehl Stefan George kennengelernt, der ihm schnell zum „Maßstab“ seines eigenen Schaffens wird. Seine ersten Gedichte veröffentlicht er in den Blättern für die Kunst, die George zusammen mit Carl August Klein seit 1892 herausgibt. Durch die Vermittlung Wolfskehls sind beide, Kosmiker- und George-Kreis, bis zu ihrem Grundsatzstreit 1903 über die Frage des jüdischen Glaubens nur schwer voneinander zu trennen.
Wolfskehl zeigt sich fasziniert von Georges Rückbesinnung auf die Antike, von der symbolistischen Geste und Überhöhung der Sprache. Seine eigene, oft konstruiert wirkende Lyrik mit romantischen und Jugendstil-Elementen (Ulais, 1897) legt sein Interesse am Mythischen offen, wie sie auf das Ziel hinweist, die Trennung von jüdischem Erbe und deutscher Kultur, der er sich verschrieben hat, aufheben zu wollen. Von nordischer Mythologie und Nietzsche bleibt Wolfskehl auch weiterhin beeinflusst; den Münchener Künstlerkreisen entdeckt er außerdem Bachofens Mutterrecht.
Nach dem Ersten Weltkrieg kauft Karl Wolfskehl für seine Familie Schloss Kiechlingsbergen am Kaiserstuhl. Die Inflation zwingt ihn, ab 1922 eine Stelle als Hauslehrer bei einer Baronin in Florenz aufzunehmen. Darüber hinaus schreibt er Essays (Bild und Gesetz, 1930), übersetzt aus mehreren Sprachen (Die Geschichte von Ulenspiegel, 2 Bde. 1926) oder übernimmt die literarische Leitung der bibliophilen Rupprecht-Presse. 1928 wird er Beirat des Zeitungsverlags Knorr & Hirth.
Zu Beginn des Nationalsozialismus flieht Wolfskehl in die Schweiz, später nach Italien. Seine Bibliothek verkauft er gegen eine Leibrente an den Verleger Salman Schocken. Mit „Abscheu und Zorn“ verlässt er 1938 Europa, „so weit weg [...] als dies überhaupt auf diesem Kleinplanet möglich ist“ (Brief an Bella Fromm Welles vom 31. Januar 1947), und geht nach Neuseeland.
Im Exil dichtet er Die Stimme spricht (1934/36), Hiob oder Die vier Spiegel sowie Sang aus dem Exil (beide posthum 1950). Von der Rückbesinnung auf die jüdische Geschichte bzw. das jüdische Schicksal allgemein geprägt, steht im Zentrum von Sang aus dem Exil vor allem die Klage über den Verlust der Heimat und der mediterranen Welt. Ebenso bitter klingt Wolfskehls Abschieds-Lied An die Deutschen (1947), worin er das Scheitern der von ihm angestrebten geistigen Symbiose erkennt, den Glauben an ein anderes Deutschland jedoch nicht verliert: „Wo ich bin ist Deutscher Geist.“ Die Verbindung zum deutschen Geist sucht er für sich dann auch durch einen umfangreichen Briefwechsel (Hannah Arendt, Martin Buber, Thomas Mann, Alfred Kubin, Kurt Wolff u.a.) aufrechtzuerhalten.
Sekundärliteratur:
Castellari, Marco (2020): Ausstrahlungsphänomene. Karl Wolfskehl und die Hölderlin-Rezeption um 1900. In: Wolfinger, Kay (Hg.): Mystisches Schwabing. Die Münchner Kosmiker im Kontext (Klassische Moderne, 40). Ergon Verlag, Baden-Baden, S. 121-134.
Czoik, Peter (2020): Zu Karl Wolfskehls dramatischer Dichtung Maskenzug 1904 im Kontext des Kosmikerkreises. In: Wolfinger, Kay (Hg.): Mystisches Schwabing. Die Münchner Kosmiker im Kontext (Klassische Moderne, 40). Ergon Verlag, Baden-Baden, S. 99-120.
Meurer, Jonas (2020): Karl Wolfskehl, Walter Benjamin und die Magie der Übersetzung. In: Wolfinger, Kay (Hg.): Mystisches Schwabing. Die Münchner Kosmiker im Kontext (Klassische Moderne, 40). Ergon Verlag, Baden-Baden, S. 135-151.
Pelloni, Gabriella; Di Maio, Davide (2019): „Jude, Christ und Wüstensohn“. Studien zum Werk Karl Wolfskehls. Hentrich & Hentrich, Berlin und Leipzig.
Voit, Friedrich (2005): Karl Wolfskehl. Leben und Werk im Exil. Wallstein Verlag, Göttingen.
Externe Links:
Literatur von Karl Wolfskehl im BVB
Der Sohn des Bankiers und Politikers Otto Wolfskehl und seiner Frau Paula, geb. Simon, studiert Altgermanistik, Religionsgeschichte und Archäologie in Gießen, Leipzig und Berlin, 1893 wird er in Gießen über „Germanische Werbungssagen“ bei Otto Behaghel promoviert.
Fünf Jahre später zieht er nach München, wo er dem Kreis der „Kosmiker“ angehört und, wegen seiner Körpergröße „Zeus von Schwabing“ genannt, den gesellschaftlichen Mittelpunkt der Bohème-Bruderschaft darstellt. Die Kosmiker geben vor, dass Kunst und Leben nicht geschieden werden dürfen und forschen, wie etwa Ludwig Klages oder Alfred Schuler, Mysterienlehren jenseits monotheistischer Gottesvorstellungen nach.
Bereits 1893 hat Karl Wolfskehl Stefan George kennengelernt, der ihm schnell zum „Maßstab“ seines eigenen Schaffens wird. Seine ersten Gedichte veröffentlicht er in den Blättern für die Kunst, die George zusammen mit Carl August Klein seit 1892 herausgibt. Durch die Vermittlung Wolfskehls sind beide, Kosmiker- und George-Kreis, bis zu ihrem Grundsatzstreit 1903 über die Frage des jüdischen Glaubens nur schwer voneinander zu trennen.
Wolfskehl zeigt sich fasziniert von Georges Rückbesinnung auf die Antike, von der symbolistischen Geste und Überhöhung der Sprache. Seine eigene, oft konstruiert wirkende Lyrik mit romantischen und Jugendstil-Elementen (Ulais, 1897) legt sein Interesse am Mythischen offen, wie sie auf das Ziel hinweist, die Trennung von jüdischem Erbe und deutscher Kultur, der er sich verschrieben hat, aufheben zu wollen. Von nordischer Mythologie und Nietzsche bleibt Wolfskehl auch weiterhin beeinflusst; den Münchener Künstlerkreisen entdeckt er außerdem Bachofens Mutterrecht.
Nach dem Ersten Weltkrieg kauft Karl Wolfskehl für seine Familie Schloss Kiechlingsbergen am Kaiserstuhl. Die Inflation zwingt ihn, ab 1922 eine Stelle als Hauslehrer bei einer Baronin in Florenz aufzunehmen. Darüber hinaus schreibt er Essays (Bild und Gesetz, 1930), übersetzt aus mehreren Sprachen (Die Geschichte von Ulenspiegel, 2 Bde. 1926) oder übernimmt die literarische Leitung der bibliophilen Rupprecht-Presse. 1928 wird er Beirat des Zeitungsverlags Knorr & Hirth.
Zu Beginn des Nationalsozialismus flieht Wolfskehl in die Schweiz, später nach Italien. Seine Bibliothek verkauft er gegen eine Leibrente an den Verleger Salman Schocken. Mit „Abscheu und Zorn“ verlässt er 1938 Europa, „so weit weg [...] als dies überhaupt auf diesem Kleinplanet möglich ist“ (Brief an Bella Fromm Welles vom 31. Januar 1947), und geht nach Neuseeland.
Im Exil dichtet er Die Stimme spricht (1934/36), Hiob oder Die vier Spiegel sowie Sang aus dem Exil (beide posthum 1950). Von der Rückbesinnung auf die jüdische Geschichte bzw. das jüdische Schicksal allgemein geprägt, steht im Zentrum von Sang aus dem Exil vor allem die Klage über den Verlust der Heimat und der mediterranen Welt. Ebenso bitter klingt Wolfskehls Abschieds-Lied An die Deutschen (1947), worin er das Scheitern der von ihm angestrebten geistigen Symbiose erkennt, den Glauben an ein anderes Deutschland jedoch nicht verliert: „Wo ich bin ist Deutscher Geist.“ Die Verbindung zum deutschen Geist sucht er für sich dann auch durch einen umfangreichen Briefwechsel (Hannah Arendt, Martin Buber, Thomas Mann, Alfred Kubin, Kurt Wolff u.a.) aufrechtzuerhalten.
Castellari, Marco (2020): Ausstrahlungsphänomene. Karl Wolfskehl und die Hölderlin-Rezeption um 1900. In: Wolfinger, Kay (Hg.): Mystisches Schwabing. Die Münchner Kosmiker im Kontext (Klassische Moderne, 40). Ergon Verlag, Baden-Baden, S. 121-134.
Czoik, Peter (2020): Zu Karl Wolfskehls dramatischer Dichtung Maskenzug 1904 im Kontext des Kosmikerkreises. In: Wolfinger, Kay (Hg.): Mystisches Schwabing. Die Münchner Kosmiker im Kontext (Klassische Moderne, 40). Ergon Verlag, Baden-Baden, S. 99-120.
Meurer, Jonas (2020): Karl Wolfskehl, Walter Benjamin und die Magie der Übersetzung. In: Wolfinger, Kay (Hg.): Mystisches Schwabing. Die Münchner Kosmiker im Kontext (Klassische Moderne, 40). Ergon Verlag, Baden-Baden, S. 135-151.
Pelloni, Gabriella; Di Maio, Davide (2019): „Jude, Christ und Wüstensohn“. Studien zum Werk Karl Wolfskehls. Hentrich & Hentrich, Berlin und Leipzig.
Voit, Friedrich (2005): Karl Wolfskehl. Leben und Werk im Exil. Wallstein Verlag, Göttingen.