Jakob Wassermann
Jakob Wassermann wächst in kleinen Verhältnissen auf. Der Sohn eines erfolglosen jüdischen Spielwarenfabrikanten und Gemischtwarenhändlers besucht die Fürther Realschule und veröffentlicht schon früh den Anfang eines ersten Romans, was zu schweren Auseinandersetzungen mit Vater und Stiefmutter (die Mutter stirbt bereits 1882) führt. Bei seinem Onkel Alfred Traub in Wien soll er 1889 in die Lehre treten, doch Wassermann bricht zweimal ab, hält sich abwechselnd in München und Würzburg auf, wo er zuletzt seinen Militärdienst ableistet. In Nürnberg wird er 1892 Büroschreiber einer Versicherung, kündigt mit Erreichen der Volljährigkeit und beginnt ein unstetes Wanderleben im Schwarzwald und in Zürich.
1894 wird er in München Sekretär von Ernst von Wolzogen, der sein literarisches Talent erkennt und Wassermann mit dem Verleger Albert Langen bekanntmacht. Der Anschluss an die literarische Szene bleibt nicht lange aus: Wassermann knüpft Kontakte zu Autoren wie Thomas Mann oder Rainer Maria Rilke, er schreibt Beiträge für den Simplicissimus, mit Melusine. Ein Liebesroman (1896) gelingt ihm seine erste Buchpublikation. Ein großer Erfolg ist auch der Roman Die Juden von Zirndorf (1897), eine Dorfchronik aus dem 17. Jahrhundert über das Leben des Schabbetai Zwi am Beispiel der Fürther jüdischen Gemeinde. Die Geschichte handelt von religiöser Verblendung und Identitätsfindung: Die nach Erlösung hungernden Juden glauben ein Gerücht von einem Erlöser, der ihr armseliges Dasein zum Guten wenden soll; Agathon Geyer, Prophet und Erlöser, verlässt hingegen die Orthodoxie, findet den Weg zu wahrer Humanität und zeichnet seinem Volk so das allgemeine menschliche Ziel vor. In der Figur der jungen Renate Fuchs der gleichnamigen Geschichte der jungen Renate Fuchs (1900) begegnet ihm dann sein weibliches Pendant: Auf dem Totenbett erlebt er in Umarmung mit der innerlich rein gebliebenen Titelheldin seine letzte Erfüllung.
1898 ist Jakob Wassermann Theaterkorrespondent der Frankfurter Zeitung in Wien, wo er sich dem Jungen Wien anschließt (Freundschaften mit Richard Beer-Hofmann und Arthur Schnitzler) – davor hat er den Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal im steirischen Altaussee kennengelernt. Ein Jahr später wird Wassermann Autor des Berliner Verlegers Samuel Fischer; er heiratet die exzentrische, aus wohlhabender Wiener Familie stammende Julie Speyer, mit der er insgesamt vier Kinder hat. Von einzelnen essayistischen (Das Los der Juden, 1904) und erzählerischen Arbeiten (Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens, 1908) abgesehen stößt erst der vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges beendete Roman Das Gänsemännchen (1915) beim Lesepublikum auf ein breiteres Echo: Anknüpfend an Jean Paul und E. T. A. Hoffmann sowie unter dem starken Eindruck seiner Dostojewskij-Lektüre führt Wassermann eine philiströse Gesellschaft „ohne jeden Anstand, ohne humane Übereinkunft“ vor, an der der Musiker Daniel Nothafft zerbricht, in seinen Träumen jedoch über sich hinauswächst und „das ewige Kleinbürgertum in seiner Flachheit, Bösartigkeit“ (Arthur Schnitzler) demaskiert.
Von seiner Frau Julie inzwischen getrennt lebend, siedelt Wassermann mit der Schriftstellerin Marta Stross, geborene Karlweis, und ihren zwei Töchtern aus erster Ehe nach Altaussee über; gleichzeitig erscheint sein Roman Christian Wahnschaffe (1919), die Geschichte eines Großbürgersohns, der die Armut seinem Reichtum vorzieht und zum Träger einer ganzen, durch Weltkrieg und Umsturz desillusionierten Generation wird. 1926 wird die Ehe mit Julie schließlich geschieden, Wassermann in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen.
Neben dem großen autobiographischen Essay Mein Weg als Deutscher und Jude (1921), in dem Wassermann die Standortbestimmung für sich als deutsch-jüdischer Schriftsteller betreibt, dem modernen Eheroman Laudin und die Seinen (1925), in dem Erfahrungen seiner unglücklichen Ehe mit Julie anklingen, ist es vor allem der Roman Der Fall Maurizius von 1928, welcher analytisch ein modernes Spiegelbild der Zeit wiedergibt und den Kern von Wassermanns literarischem Schaffen in den zwanziger Jahren bildet. Der Erfolg des Romans – die Geschichte um einen lang zurückliegenden Mord und ein damit verbundenes Fehlurteil, das Etzel Andergasts Vater, ein Staranwalt, provoziert und der Sohn in schicksalhafter Konsequenz aufdeckt – ist so groß, dass er noch zwei Fortsetzungen nach sich zieht: Etzel Andergast (1931) sowie Joseph Kerkhovens dritte Existenz (posthum 1934).
Gleichwohl steht Jakob Wassermann vor dem Scherbenhaufen seiner dichterischen Existenz: Dem Ausschluss aus der Preußischen Akademie der Künste kommt er im März 1933 zwar zuvor, seine Bücher werden aber nach der Bücherverbrennung verboten, was für den weltberühmten, in mehrere Sprachen übersetzten Autor nicht nur den materiellen Ruin, sondern vor allem den Zusammenbruch seiner lebenslang gehegten Hoffnungen einer humaneren Welt bedeutet.
1933 tritt Wassermann noch dem Ehrenpräsidium des Kulturbundes deutscher Juden bei. Verarmt und psychisch gebrochen stirbt er im Alter von 60 Jahren und wird auf dem Friedhof in Altaussee beigesetzt.
Sekundärliteratur:
Meissner, Toni (2004): Jakob Wassermann (10.3.1873 – 1.1.1934). Die „Gabe des Fabulierens“. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 74f.
Noack, Bernd (2007): Mit Licht und Schatten gepflastert. Elf literarische Erkundungen in Fürth (Auf den Spuren der Dichter und Denker durch Franken, 5). Schrenk-Verlag, Gunzenhausen, S. 37-50.
Externe Links:
Literatur von Jakob Wassermann im BVB
Literatur über Jakob Wassermann im BVB
Werke bei gutenberg.spiegel.de
Bilder vom Kindheitshaus Jakob Wassermanns
Jakob Wassermann: Die Juden von Zirndorf (1897)
Jakob Wassermann (1873-1934) im literarischen Feld seiner Zeit
Jakob Wassermann wächst in kleinen Verhältnissen auf. Der Sohn eines erfolglosen jüdischen Spielwarenfabrikanten und Gemischtwarenhändlers besucht die Fürther Realschule und veröffentlicht schon früh den Anfang eines ersten Romans, was zu schweren Auseinandersetzungen mit Vater und Stiefmutter (die Mutter stirbt bereits 1882) führt. Bei seinem Onkel Alfred Traub in Wien soll er 1889 in die Lehre treten, doch Wassermann bricht zweimal ab, hält sich abwechselnd in München und Würzburg auf, wo er zuletzt seinen Militärdienst ableistet. In Nürnberg wird er 1892 Büroschreiber einer Versicherung, kündigt mit Erreichen der Volljährigkeit und beginnt ein unstetes Wanderleben im Schwarzwald und in Zürich.
1894 wird er in München Sekretär von Ernst von Wolzogen, der sein literarisches Talent erkennt und Wassermann mit dem Verleger Albert Langen bekanntmacht. Der Anschluss an die literarische Szene bleibt nicht lange aus: Wassermann knüpft Kontakte zu Autoren wie Thomas Mann oder Rainer Maria Rilke, er schreibt Beiträge für den Simplicissimus, mit Melusine. Ein Liebesroman (1896) gelingt ihm seine erste Buchpublikation. Ein großer Erfolg ist auch der Roman Die Juden von Zirndorf (1897), eine Dorfchronik aus dem 17. Jahrhundert über das Leben des Schabbetai Zwi am Beispiel der Fürther jüdischen Gemeinde. Die Geschichte handelt von religiöser Verblendung und Identitätsfindung: Die nach Erlösung hungernden Juden glauben ein Gerücht von einem Erlöser, der ihr armseliges Dasein zum Guten wenden soll; Agathon Geyer, Prophet und Erlöser, verlässt hingegen die Orthodoxie, findet den Weg zu wahrer Humanität und zeichnet seinem Volk so das allgemeine menschliche Ziel vor. In der Figur der jungen Renate Fuchs der gleichnamigen Geschichte der jungen Renate Fuchs (1900) begegnet ihm dann sein weibliches Pendant: Auf dem Totenbett erlebt er in Umarmung mit der innerlich rein gebliebenen Titelheldin seine letzte Erfüllung.
1898 ist Jakob Wassermann Theaterkorrespondent der Frankfurter Zeitung in Wien, wo er sich dem Jungen Wien anschließt (Freundschaften mit Richard Beer-Hofmann und Arthur Schnitzler) – davor hat er den Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal im steirischen Altaussee kennengelernt. Ein Jahr später wird Wassermann Autor des Berliner Verlegers Samuel Fischer; er heiratet die exzentrische, aus wohlhabender Wiener Familie stammende Julie Speyer, mit der er insgesamt vier Kinder hat. Von einzelnen essayistischen (Das Los der Juden, 1904) und erzählerischen Arbeiten (Caspar Hauser oder Die Trägheit des Herzens, 1908) abgesehen stößt erst der vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges beendete Roman Das Gänsemännchen (1915) beim Lesepublikum auf ein breiteres Echo: Anknüpfend an Jean Paul und E. T. A. Hoffmann sowie unter dem starken Eindruck seiner Dostojewskij-Lektüre führt Wassermann eine philiströse Gesellschaft „ohne jeden Anstand, ohne humane Übereinkunft“ vor, an der der Musiker Daniel Nothafft zerbricht, in seinen Träumen jedoch über sich hinauswächst und „das ewige Kleinbürgertum in seiner Flachheit, Bösartigkeit“ (Arthur Schnitzler) demaskiert.
Von seiner Frau Julie inzwischen getrennt lebend, siedelt Wassermann mit der Schriftstellerin Marta Stross, geborene Karlweis, und ihren zwei Töchtern aus erster Ehe nach Altaussee über; gleichzeitig erscheint sein Roman Christian Wahnschaffe (1919), die Geschichte eines Großbürgersohns, der die Armut seinem Reichtum vorzieht und zum Träger einer ganzen, durch Weltkrieg und Umsturz desillusionierten Generation wird. 1926 wird die Ehe mit Julie schließlich geschieden, Wassermann in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen.
Neben dem großen autobiographischen Essay Mein Weg als Deutscher und Jude (1921), in dem Wassermann die Standortbestimmung für sich als deutsch-jüdischer Schriftsteller betreibt, dem modernen Eheroman Laudin und die Seinen (1925), in dem Erfahrungen seiner unglücklichen Ehe mit Julie anklingen, ist es vor allem der Roman Der Fall Maurizius von 1928, welcher analytisch ein modernes Spiegelbild der Zeit wiedergibt und den Kern von Wassermanns literarischem Schaffen in den zwanziger Jahren bildet. Der Erfolg des Romans – die Geschichte um einen lang zurückliegenden Mord und ein damit verbundenes Fehlurteil, das Etzel Andergasts Vater, ein Staranwalt, provoziert und der Sohn in schicksalhafter Konsequenz aufdeckt – ist so groß, dass er noch zwei Fortsetzungen nach sich zieht: Etzel Andergast (1931) sowie Joseph Kerkhovens dritte Existenz (posthum 1934).
Gleichwohl steht Jakob Wassermann vor dem Scherbenhaufen seiner dichterischen Existenz: Dem Ausschluss aus der Preußischen Akademie der Künste kommt er im März 1933 zwar zuvor, seine Bücher werden aber nach der Bücherverbrennung verboten, was für den weltberühmten, in mehrere Sprachen übersetzten Autor nicht nur den materiellen Ruin, sondern vor allem den Zusammenbruch seiner lebenslang gehegten Hoffnungen einer humaneren Welt bedeutet.
1933 tritt Wassermann noch dem Ehrenpräsidium des Kulturbundes deutscher Juden bei. Verarmt und psychisch gebrochen stirbt er im Alter von 60 Jahren und wird auf dem Friedhof in Altaussee beigesetzt.
Meissner, Toni (2004): Jakob Wassermann (10.3.1873 – 1.1.1934). Die „Gabe des Fabulierens“. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 74f.
Noack, Bernd (2007): Mit Licht und Schatten gepflastert. Elf literarische Erkundungen in Fürth (Auf den Spuren der Dichter und Denker durch Franken, 5). Schrenk-Verlag, Gunzenhausen, S. 37-50.