Eduard von Keyserling
Geboren wird Eduard von Keyserling(k) auf dem kurländischen Gut Paddern im heutigen Lettland. Er wächst auf in der patriarchalischen Adelsgesellschaft der elterlichen Güter als drittletztes von zwölf Geschwistern und besucht die Schule in Hasenpoth und das deutsche Gymnasium in Goldingen. 1874 beginnt er ein Studium der Jurisprudenz, Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Dorpat, muss aber wegen einer „Lappalie“ die Universität verlassen, was für ihn die gesellschaftliche Ächtung seiner Kaste zur Folge hat.
Bis 1890 lebt Keyserling als freier Schriftsteller in Wien, wo er Kontakt zu Ludwig Anzengruber und Peter Altenberg hat. 1890-95 wieder in Kurland, bewirtschaftet er die mütterlichen Güter Paddern sowie Telsen bis zur Übergabe an die beiden Majoratsherren. 1893 zeigen sich die ersten Anzeichen eines schweren Rückenmarksleidens als Folge einer Syphilisinfektion. Keyserling übersiedelt zwei Jahre später mit seinen beiden älteren Schwestern Henriette und Elise nach München über; nach deren Tod übernimmt Hedwig die Fürsorge für ihn. Er unterhält Beziehungen zu Künstler- und Literatenkreisen um Max Halbe, Frank Wedekind, Rainer Maria Rilke, Rudolf Kassner, Korfiz Holm und Alfred Kubin, Treffpunkte sind dabei das Café Stefanie sowie die Torggelstube.
Keyserling veröffentlicht in diversen Zeitschriften, darunter Kunst für alle, Freistatt, Kunst und Künstler, Die neue Rundschau, Die Zeit. Von Ende März 1899 bis 1900 bereist er mit seinen Schwestern Italien mit längeren Aufenthalten in Venedig, Florenz, Siena, Rom und Neapel. Seit 1908 zunehmend erblindet, verlässt er kaum noch das Haus in der Ainmillerstraße 19 in Schwabing, wo er bis zu seinem Tode lebt und seine Werke den in seinem Haushalt lebenden Schwestern diktiert. 1914 schneidet ihn der Erste Weltkrieg von den Einkünften aus den kurländischen Besitzungen ab und stürzt ihn zusätzliche wirtschaftliche Not. Bis zuletzt besuchen ihn, neben den Freunden Halbe und Kassner, die Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe (die Keyserlings Erzählung Schwüle Tage ins Französische übersetzt) sowie die Baronin Marie von der Osten-Sacken, die – mit seiner Schwester Hedwig – Keyserlings Nachlass auf dessen Wunsch hin vernichtet.
Während die frühen Erzählwerke (Fräulein Rosa Herz, 1887; Die dritte Stiege, 1892) noch naturalistischen Einflüssen verhaftet sind, vier bühnenferne Dramen nicht den gewünschten Erfolg bringen, findet Keyserling ab 1903 zum unverwechselbaren Ton seiner impressionistischen „Schlossgeschichten“, die mit großer Sensibilität für psychologische und atmosphärische Nuancen, für verinnerlichte erotische Vorgänge, Zuständliches darstellen (Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte, 1903; Bunte Herzen, 1908; Abendliche Häuser, 1913; Fürstinnen, 1915). Die Auseinandersetzung mit den sozialen Klassen fehlt auch hier nicht; indem Keyserling unter dem Anschein objektivierten Erzählens sich keine Illusionen macht, was die sittliche und geistige Verfassung seiner adligen Gesellschaftsschicht angeht, schildert er die Welt des versinkenden kurländischen bzw. preußischen Adels vor 1914 in „traumhaft schönen“ Bildern von streng ritualisierter Künstlichkeit als eine Sphäre vollkommener Lebensferne und Todessehnsucht. Die Menschen sind ihm dabei weniger wichtig als die Atmosphäre, in der sie leben: die von Farben und Düften gesättigte Natur, die Garten- und Wohnwelt, das Verhalten der Menschen, ihre Gespräche, ihre Gesten sind alle eingebettet in einen ästhetischen Stimmungsraum. Der enge Bezirk ostelbischer Landsitze dient den lebensgierigen und zugleich lebensunfähigen Akteuren als Bühne für ein Spiel, dem sich noch der verzweifelte Ausbruchsversuch als Arabeske einfügt.
Wie Thomas Mann in seinem Nekrolog schreibt, ist Keyserlings Gesellschaftskritik ohne „soziale Attitüde“ – und deshalb um so eindringlicher und radikaler als diejenige Theodor Fontanes. „Die sachlich genau zielende Treffsicherheit der Sprache, zusammen mit ihrer Beweglichkeit, ihrer farbigen und musikalischen Sinnlichkeit und ihrer atmosphärischen Suggestionskraft“ zeichnen Keyserling darüber hinaus als einen „überragenden Autor künstlerischer Prosa und als einen unverwechselbar originären Stilisten aus.“ (Fritz Martini)
Sekundärliteratur:
http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/keyserling.htm, (19.11.2011).
Martini, Fritz: Keyserling, Eduard Graf von. In: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 563-565, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118561812.html, (19.11.2011).
Externe Links:
Literatur von Eduard von Keyserling im BVB
Literatur über Eduard von Keyserling im BVB
Geboren wird Eduard von Keyserling(k) auf dem kurländischen Gut Paddern im heutigen Lettland. Er wächst auf in der patriarchalischen Adelsgesellschaft der elterlichen Güter als drittletztes von zwölf Geschwistern und besucht die Schule in Hasenpoth und das deutsche Gymnasium in Goldingen. 1874 beginnt er ein Studium der Jurisprudenz, Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Dorpat, muss aber wegen einer „Lappalie“ die Universität verlassen, was für ihn die gesellschaftliche Ächtung seiner Kaste zur Folge hat.
Bis 1890 lebt Keyserling als freier Schriftsteller in Wien, wo er Kontakt zu Ludwig Anzengruber und Peter Altenberg hat. 1890-95 wieder in Kurland, bewirtschaftet er die mütterlichen Güter Paddern sowie Telsen bis zur Übergabe an die beiden Majoratsherren. 1893 zeigen sich die ersten Anzeichen eines schweren Rückenmarksleidens als Folge einer Syphilisinfektion. Keyserling übersiedelt zwei Jahre später mit seinen beiden älteren Schwestern Henriette und Elise nach München über; nach deren Tod übernimmt Hedwig die Fürsorge für ihn. Er unterhält Beziehungen zu Künstler- und Literatenkreisen um Max Halbe, Frank Wedekind, Rainer Maria Rilke, Rudolf Kassner, Korfiz Holm und Alfred Kubin, Treffpunkte sind dabei das Café Stefanie sowie die Torggelstube.
Keyserling veröffentlicht in diversen Zeitschriften, darunter Kunst für alle, Freistatt, Kunst und Künstler, Die neue Rundschau, Die Zeit. Von Ende März 1899 bis 1900 bereist er mit seinen Schwestern Italien mit längeren Aufenthalten in Venedig, Florenz, Siena, Rom und Neapel. Seit 1908 zunehmend erblindet, verlässt er kaum noch das Haus in der Ainmillerstraße 19 in Schwabing, wo er bis zu seinem Tode lebt und seine Werke den in seinem Haushalt lebenden Schwestern diktiert. 1914 schneidet ihn der Erste Weltkrieg von den Einkünften aus den kurländischen Besitzungen ab und stürzt ihn zusätzliche wirtschaftliche Not. Bis zuletzt besuchen ihn, neben den Freunden Halbe und Kassner, die Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe (die Keyserlings Erzählung Schwüle Tage ins Französische übersetzt) sowie die Baronin Marie von der Osten-Sacken, die – mit seiner Schwester Hedwig – Keyserlings Nachlass auf dessen Wunsch hin vernichtet.
Während die frühen Erzählwerke (Fräulein Rosa Herz, 1887; Die dritte Stiege, 1892) noch naturalistischen Einflüssen verhaftet sind, vier bühnenferne Dramen nicht den gewünschten Erfolg bringen, findet Keyserling ab 1903 zum unverwechselbaren Ton seiner impressionistischen „Schlossgeschichten“, die mit großer Sensibilität für psychologische und atmosphärische Nuancen, für verinnerlichte erotische Vorgänge, Zuständliches darstellen (Beate und Mareile. Eine Schloßgeschichte, 1903; Bunte Herzen, 1908; Abendliche Häuser, 1913; Fürstinnen, 1915). Die Auseinandersetzung mit den sozialen Klassen fehlt auch hier nicht; indem Keyserling unter dem Anschein objektivierten Erzählens sich keine Illusionen macht, was die sittliche und geistige Verfassung seiner adligen Gesellschaftsschicht angeht, schildert er die Welt des versinkenden kurländischen bzw. preußischen Adels vor 1914 in „traumhaft schönen“ Bildern von streng ritualisierter Künstlichkeit als eine Sphäre vollkommener Lebensferne und Todessehnsucht. Die Menschen sind ihm dabei weniger wichtig als die Atmosphäre, in der sie leben: die von Farben und Düften gesättigte Natur, die Garten- und Wohnwelt, das Verhalten der Menschen, ihre Gespräche, ihre Gesten sind alle eingebettet in einen ästhetischen Stimmungsraum. Der enge Bezirk ostelbischer Landsitze dient den lebensgierigen und zugleich lebensunfähigen Akteuren als Bühne für ein Spiel, dem sich noch der verzweifelte Ausbruchsversuch als Arabeske einfügt.
Wie Thomas Mann in seinem Nekrolog schreibt, ist Keyserlings Gesellschaftskritik ohne „soziale Attitüde“ – und deshalb um so eindringlicher und radikaler als diejenige Theodor Fontanes. „Die sachlich genau zielende Treffsicherheit der Sprache, zusammen mit ihrer Beweglichkeit, ihrer farbigen und musikalischen Sinnlichkeit und ihrer atmosphärischen Suggestionskraft“ zeichnen Keyserling darüber hinaus als einen „überragenden Autor künstlerischer Prosa und als einen unverwechselbar originären Stilisten aus.“ (Fritz Martini)
http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/keyserling.htm, (19.11.2011).
Martini, Fritz: Keyserling, Eduard Graf von. In: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 563-565, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118561812.html, (19.11.2011).