Marcel Dornier
Die biographischen Wurzeln des 1988 in der Schweiz verstorbenen Malers und Schriftstellers Marcel Dornier liegen im Oberallgäu, wo im ehemaligen Jodbad Sulzbrunn bei Sulzberg noch heute sein Geburtshaus steht. 1893 kommt er dort als achtes und jüngstes Kind seines aus Frankreich stammenden Vaters Dauphin Dornier zur Welt. Dieser ist in erster Ehe mit Maximiliane Buck und in zweiter Ehe mit deren Schwester Mathilde verheiratet. Marcel Dorniers Eltern gelingt es nicht, mit dem Kurbetrieb, der die Mithilfe aller erfordert, den Lebensunterhalt für die Familie zu erwirtschaften. 1903 kommt es zum Konkurs, 1905 muss die Familie Sulzbrunn verlassen. Marcel Dornier schreibt dazu in seiner Biographie: „Ein so großes Unglück das Jodbad für meine Eltern war, ein so traumhaftes Glück war es für den Jüngsten der Familie. Mich hat das Jodbad fürs ganze Leben zu einem Sonderdasein geprägt. Vielleicht ein Danaergeschenk, aber ich wäre nicht ich geworden ohne die wenigen Kinderjahre in der unvergleichlich herrlichen Waldeinsamkeit und dem verträumten Dorf Sulzberg“ (1977, S. 94). In Kempten erlebt der Vater mit einer Weinhandlung einen zweiten Konkurs. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends und das Ehepaar Mathilde und Dauphin Dornier ist auf die finanzielle Unterstützung der älteren Kinder angewiesen.
Marcel Dorniers Talent für die Malerei zeigt sich früh. Ebenso wie seine beiden Brüder Claude und Maurice wird er inspiriert durch den Großvater Joseph Buck, einen Zeichenlehrer, der es als Wirt des Bayerischen Hof in Kempten (Allgäu) zu Wohlstand gebracht hat und der sich neben der Malerei intensiv der Heimatforschung widmet (Handbuch für Reisende im Allgäu, Lechthal und Bregenzerwald, Kempten 1856). Für Marcel Dornier beginnt ab seinem 15. Lebensjahr eine von Unterbrechungen und großen finanziellen Sorgen geprägte Ausbildungszeit. 1908 geht er an die Kunstgewerbeschule Zürich und wohnt bei seiner Schwester Maja, die in Zürich eine kleine Pension betreibt. 1909 wechselt er an die Kunstgewerbeschule Pforzheim und 1913 an die Akademie der Bildenden Künste in München. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird der gänzlich unpolitische Marcel Dornier aufgrund seiner französischen Staatsangehörigkeit von der Akademie ausgeschlossen und im Dezember 1914 für drei Monate im Gefangenenlager Holzminden interniert, wodurch sich sein schon zuvor angeschlagener Gesundheitszustand weiter verschlechtert. 1917 erhält er die Erlaubnis zu einem Erholungs- und Studienaufenthalt in Nesselwang im Allgäu.
Marcel Dorniers Geburtshaus im ehemaligen Jodbad Sulzbrunn © Camilo Dornier
In dieser Zeit beginnt Marcel Dornier neben seinen Zeichenstudien zum bäuerlichen Leben verstärkt zu schreiben. 1918 entsteht das 1921 veröffentlichte Werk Urax und Rezabell, ein Epos in Hexametern über die Liebe eines Mannes zu einem der sagenumwobenen Wilden Fräulein aus Hinterstein. Nach Kriegsende vermittelt ihm sein Bruder Claude Dornier, der als Flugzeugkonstrukteur für die Zeppelinwerke in Friedrichshafen arbeitet, eine Anstellung in der von ihm etablierten Firma. Marcel Dornier entwirft die Innenausstattung neuer Flugzeugtypen und Reklameartikel wie Plakate und Postkarten. Das von ihm entworfene Dornier-Signet ist in leicht abgewandelter Form heute noch gültig. 1920 lernt er Margrit Eichenberger, die Cousine seines Schweizer Malerkollegen und Freundes Paul Eichenberger kennen; die beiden heiraten 1923. Nach Zwischenstationen in München und Langenargen am Bodensee, wo sich Dornier dem Künstlerbund „Der Kreis“ anschließt, erfolgt 1930 schließlich die endgültige Übersiedlung in die Schweiz. 1934 baut das Ehepaar Dornier in Uerikon am Zürichsee ein Haus. Die Erträge des großen Gartens, den seine Frau Margrit mit großer Leidenschaft betreibt, sichern die Grundversorgung, daneben beherbergt das kinderlose Paar Ferienkinder. Margrit Dornier-Eichenberger lässt diese Erfahrungen in ihre Bücher Wir helfen mit! (1942), Die Ferienkinder im Glarnerland (1945) und Leben heißt lieben (1963) einfließen; die Illustrationen stammen von ihrem Mann.
Marcel Dornier bleibt in gleichem Maße als Maler und Schriftsteller produktiv. Wegen seines bescheidenen Wesens und seiner zurückgezogenen Lebensweise übernimmt seine Frau Margrit, die mit größerem kaufmännischem Talent ausgestattet ist, die Vermarktung seiner Werke. Von Dornier stammen die Romane Marianne Pauli (1922), Geschichte von einem Himmelbett, welche in der Hölle beginnt, aber im Himmel endet (1922) und Luna und ihre Kinder (1946). Oft leiden seine Romanfiguren unter einer Schuld, die sie auf sich geladen haben; für den Autor eröffnen erst Wiedergutmachung und Versöhnung die Chance auf ein besseres Leben. 1969 veröffentlicht Dornier seinen Lyrikband Meine Muse heißt nicht Snobselia mit Gedichten aus sechs Jahrzehnten.
Marcel Dornier ist aber vor allem Dramenschriftsteller. Häufig widmet er sich in fundierter Art und Weise biblischen Stoffen und Figuren, so in seiner Jesus-Trilogie, bestehend aus dem Drama Dienst auf Golgotha (1956), in dem er eine beeindruckende psychologische Auseinandersetzung mit der Judas-Figur vornimmt, aus dem Osterspiel Der Mann, der nicht im Grabe bleibt (1964) und der Weihnachtsgeschichte Der Stall zu Bethlehem (1964). Auch in den Dramen Francesco (1957) und Rahab (1966) geht es um Figuren aus der Bibel. 1961 erscheint sein Drama Nicht Erde nur, eine Tragödie, die Dornier „in einem überall und jederzeit möglichen Zwangsregime“ ansiedelt. In Johanna und der Staub: Stationen einer Passion (1967) steht die französische Nationalheldin Jeanne d'Arc im Mittelpunkt. Mit Schwarmidol (1958) und Chirurgie und Liebe (1960) legt Dornier zwei Komödien vor, die heute noch von Bühnen aufgeführt werden. Margrit Dornier übernimmt die Übertragung von Dorniers Theaterstücken D'Burgle (1953), Winternachtstraum (1966) und De verloornig Sohn (1968) ins Schweizerdeutsche.
Links: Marcel Dornier 1920 beim Rezitieren aus Urax und Rezabell, gemalt von Paul Eichenberger. Rechts: Marcel Dornier mit seiner zweiten Ehefrau Suzanne Eichenberger. © Camilo Dornier
Nach dem Tod seiner Frau Margrit findet Marcel Dornier in deren Nichte Suzanne Eichenberger (1931-2017) eine neue Gefährtin fürs Leben, die beiden heiraten 1971. Suzanne Eichenberger hat ihrer Tante am Totenbett versprochen, den Onkel nicht allein zu lassen und sie ist es auch, die ihn dabei unterstützt, seine Lebensgeschichte schriftlich festzuhalten. Aus diesen Aufzeichnungen geht die Autobiographie Palette meiner Jugend hervor, die Camilo Dornier, ein Enkel Claude Dorniers, und seine Frau Pia Parth 1993 im Eigenverlag herausgeben. 1983 erscheint schließlich der Band Marcel Dornier. Gemälde – Zeichnungen – Graphik (1983) zu einer Ausstellung anlässlich des 90. Geburtstags des Künstlers im Museum Langenargen am Bodensee.
Marcel Dornier, der 1937 die Schweizer Staatsbürgerschaft erworben hat, stirbt 1988 im Alter von 95 Jahren in seinem Haus am Zürichsee.
Sekundärliteratur:
Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert (2004): 6. Bd., hg. von Konrad Feilchenfeldt, begr. von Wilhelm Kosch, fortgef. von Carl Ludwig Lang. Saur Verlag, Zürich und München, S. 478f.
Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 1981, 58. Jg., S. 206.
Lexikon der zeitgenössischen Schweizer Künstler (1981), hg. vom Schweizerischen Institut für Kulturwissenschaft Zürich. Leitung Hans-Jörg Heusser. Verlag Huber, Frauenfeld, S. 89.
Quelle:
Marcel Dornier: Palette meiner Jugend: Erinnerungen eines Malers. Autobiographie. Eigenverlag, hg. durch Camilo Dornier und Pia Parth. Starnberg 1977.
Externe Links:
Die biographischen Wurzeln des 1988 in der Schweiz verstorbenen Malers und Schriftstellers Marcel Dornier liegen im Oberallgäu, wo im ehemaligen Jodbad Sulzbrunn bei Sulzberg noch heute sein Geburtshaus steht. 1893 kommt er dort als achtes und jüngstes Kind seines aus Frankreich stammenden Vaters Dauphin Dornier zur Welt. Dieser ist in erster Ehe mit Maximiliane Buck und in zweiter Ehe mit deren Schwester Mathilde verheiratet. Marcel Dorniers Eltern gelingt es nicht, mit dem Kurbetrieb, der die Mithilfe aller erfordert, den Lebensunterhalt für die Familie zu erwirtschaften. 1903 kommt es zum Konkurs, 1905 muss die Familie Sulzbrunn verlassen. Marcel Dornier schreibt dazu in seiner Biographie: „Ein so großes Unglück das Jodbad für meine Eltern war, ein so traumhaftes Glück war es für den Jüngsten der Familie. Mich hat das Jodbad fürs ganze Leben zu einem Sonderdasein geprägt. Vielleicht ein Danaergeschenk, aber ich wäre nicht ich geworden ohne die wenigen Kinderjahre in der unvergleichlich herrlichen Waldeinsamkeit und dem verträumten Dorf Sulzberg“ (1977, S. 94). In Kempten erlebt der Vater mit einer Weinhandlung einen zweiten Konkurs. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends und das Ehepaar Mathilde und Dauphin Dornier ist auf die finanzielle Unterstützung der älteren Kinder angewiesen.
Marcel Dorniers Talent für die Malerei zeigt sich früh. Ebenso wie seine beiden Brüder Claude und Maurice wird er inspiriert durch den Großvater Joseph Buck, einen Zeichenlehrer, der es als Wirt des Bayerischen Hof in Kempten (Allgäu) zu Wohlstand gebracht hat und der sich neben der Malerei intensiv der Heimatforschung widmet (Handbuch für Reisende im Allgäu, Lechthal und Bregenzerwald, Kempten 1856). Für Marcel Dornier beginnt ab seinem 15. Lebensjahr eine von Unterbrechungen und großen finanziellen Sorgen geprägte Ausbildungszeit. 1908 geht er an die Kunstgewerbeschule Zürich und wohnt bei seiner Schwester Maja, die in Zürich eine kleine Pension betreibt. 1909 wechselt er an die Kunstgewerbeschule Pforzheim und 1913 an die Akademie der Bildenden Künste in München. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wird der gänzlich unpolitische Marcel Dornier aufgrund seiner französischen Staatsangehörigkeit von der Akademie ausgeschlossen und im Dezember 1914 für drei Monate im Gefangenenlager Holzminden interniert, wodurch sich sein schon zuvor angeschlagener Gesundheitszustand weiter verschlechtert. 1917 erhält er die Erlaubnis zu einem Erholungs- und Studienaufenthalt in Nesselwang im Allgäu.
Marcel Dorniers Geburtshaus im ehemaligen Jodbad Sulzbrunn © Camilo Dornier
In dieser Zeit beginnt Marcel Dornier neben seinen Zeichenstudien zum bäuerlichen Leben verstärkt zu schreiben. 1918 entsteht das 1921 veröffentlichte Werk Urax und Rezabell, ein Epos in Hexametern über die Liebe eines Mannes zu einem der sagenumwobenen Wilden Fräulein aus Hinterstein. Nach Kriegsende vermittelt ihm sein Bruder Claude Dornier, der als Flugzeugkonstrukteur für die Zeppelinwerke in Friedrichshafen arbeitet, eine Anstellung in der von ihm etablierten Firma. Marcel Dornier entwirft die Innenausstattung neuer Flugzeugtypen und Reklameartikel wie Plakate und Postkarten. Das von ihm entworfene Dornier-Signet ist in leicht abgewandelter Form heute noch gültig. 1920 lernt er Margrit Eichenberger, die Cousine seines Schweizer Malerkollegen und Freundes Paul Eichenberger kennen; die beiden heiraten 1923. Nach Zwischenstationen in München und Langenargen am Bodensee, wo sich Dornier dem Künstlerbund „Der Kreis“ anschließt, erfolgt 1930 schließlich die endgültige Übersiedlung in die Schweiz. 1934 baut das Ehepaar Dornier in Uerikon am Zürichsee ein Haus. Die Erträge des großen Gartens, den seine Frau Margrit mit großer Leidenschaft betreibt, sichern die Grundversorgung, daneben beherbergt das kinderlose Paar Ferienkinder. Margrit Dornier-Eichenberger lässt diese Erfahrungen in ihre Bücher Wir helfen mit! (1942), Die Ferienkinder im Glarnerland (1945) und Leben heißt lieben (1963) einfließen; die Illustrationen stammen von ihrem Mann.
Marcel Dornier bleibt in gleichem Maße als Maler und Schriftsteller produktiv. Wegen seines bescheidenen Wesens und seiner zurückgezogenen Lebensweise übernimmt seine Frau Margrit, die mit größerem kaufmännischem Talent ausgestattet ist, die Vermarktung seiner Werke. Von Dornier stammen die Romane Marianne Pauli (1922), Geschichte von einem Himmelbett, welche in der Hölle beginnt, aber im Himmel endet (1922) und Luna und ihre Kinder (1946). Oft leiden seine Romanfiguren unter einer Schuld, die sie auf sich geladen haben; für den Autor eröffnen erst Wiedergutmachung und Versöhnung die Chance auf ein besseres Leben. 1969 veröffentlicht Dornier seinen Lyrikband Meine Muse heißt nicht Snobselia mit Gedichten aus sechs Jahrzehnten.
Marcel Dornier ist aber vor allem Dramenschriftsteller. Häufig widmet er sich in fundierter Art und Weise biblischen Stoffen und Figuren, so in seiner Jesus-Trilogie, bestehend aus dem Drama Dienst auf Golgotha (1956), in dem er eine beeindruckende psychologische Auseinandersetzung mit der Judas-Figur vornimmt, aus dem Osterspiel Der Mann, der nicht im Grabe bleibt (1964) und der Weihnachtsgeschichte Der Stall zu Bethlehem (1964). Auch in den Dramen Francesco (1957) und Rahab (1966) geht es um Figuren aus der Bibel. 1961 erscheint sein Drama Nicht Erde nur, eine Tragödie, die Dornier „in einem überall und jederzeit möglichen Zwangsregime“ ansiedelt. In Johanna und der Staub: Stationen einer Passion (1967) steht die französische Nationalheldin Jeanne d'Arc im Mittelpunkt. Mit Schwarmidol (1958) und Chirurgie und Liebe (1960) legt Dornier zwei Komödien vor, die heute noch von Bühnen aufgeführt werden. Margrit Dornier übernimmt die Übertragung von Dorniers Theaterstücken D'Burgle (1953), Winternachtstraum (1966) und De verloornig Sohn (1968) ins Schweizerdeutsche.
Links: Marcel Dornier 1920 beim Rezitieren aus Urax und Rezabell, gemalt von Paul Eichenberger. Rechts: Marcel Dornier mit seiner zweiten Ehefrau Suzanne Eichenberger. © Camilo Dornier
Nach dem Tod seiner Frau Margrit findet Marcel Dornier in deren Nichte Suzanne Eichenberger (1931-2017) eine neue Gefährtin fürs Leben, die beiden heiraten 1971. Suzanne Eichenberger hat ihrer Tante am Totenbett versprochen, den Onkel nicht allein zu lassen und sie ist es auch, die ihn dabei unterstützt, seine Lebensgeschichte schriftlich festzuhalten. Aus diesen Aufzeichnungen geht die Autobiographie Palette meiner Jugend hervor, die Camilo Dornier, ein Enkel Claude Dorniers, und seine Frau Pia Parth 1993 im Eigenverlag herausgeben. 1983 erscheint schließlich der Band Marcel Dornier. Gemälde – Zeichnungen – Graphik (1983) zu einer Ausstellung anlässlich des 90. Geburtstags des Künstlers im Museum Langenargen am Bodensee.
Marcel Dornier, der 1937 die Schweizer Staatsbürgerschaft erworben hat, stirbt 1988 im Alter von 95 Jahren in seinem Haus am Zürichsee.
Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert (2004): 6. Bd., hg. von Konrad Feilchenfeldt, begr. von Wilhelm Kosch, fortgef. von Carl Ludwig Lang. Saur Verlag, Zürich und München, S. 478f.
Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 1981, 58. Jg., S. 206.
Lexikon der zeitgenössischen Schweizer Künstler (1981), hg. vom Schweizerischen Institut für Kulturwissenschaft Zürich. Leitung Hans-Jörg Heusser. Verlag Huber, Frauenfeld, S. 89.
Quelle:
Marcel Dornier: Palette meiner Jugend: Erinnerungen eines Malers. Autobiographie. Eigenverlag, hg. durch Camilo Dornier und Pia Parth. Starnberg 1977.