Info
Geb.: 18. 4.1892 in Gut Brinck-Pedwahlen (Kurland)
Gest.: 17.11.1982 in Regensburg
Foto: Stadt Regensburg – Bilddokumentation (Foto-Docu H 77-214-13)
Namensvarianten: Gertrud Schmied-Kowarzik, Gert Francken, Ina Klaßen

Gertrud von den Brincken

Gertrud von den Brincken entstammt einer alteingesessenen deutschbaltisch-lutherischen, akademisch und musisch gebildeten Gutsbesitzerfamilie, die vor 800 Jahren ins Baltikum einwanderte. Kurland ist die historische Bezeichnung für eine der vier Landschaften Lettlands. Gertrud von den Brincken erhält häuslichen Unterricht mit anschließendem Besuch einer höheren Privatschule in der Residenzstadt Mitau, wo sie auch bis 1912 als Privatlehrerin tätig ist.

Im Ersten Weltkrieg ist sie – wie viele engagierte aristokratische Damen auch – im Lazarett-Einsatz als Krankenschwester. 1925 heiratet sie den damals an der Universität Dorpat (Estland) lehrenden österreichischen Philosophieprofessor Walther Schmied-Kowarzik, zieht mit ihm für zwei Jahre nach Frankfurt am Main, später nach Friedberg (Hessen) und Wien. 1929 wird Sohn Wieland Schmied geboren (†2014), Kunst- und Literaturwissenschaftler, Rektor und späterer Präsident (bis 2004) der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Die „baltische Tragödie“ (literarisch u.a. festgehalten von Siegfried von Vegesack in seiner gleichnamigen Roman-Trilogie) macht sich am politischen Horizont bemerkbar und Gertrud von den Brincken sucht im Winter 1944 von Mödling bei Wien aus Schutz auf Schloss Unterbruck (heute Gemeinde Kastl) bei Kemnath unweit des Vulkankegels „Rauher Kulm“, das ihrer Cousine, Lia Baronesse von Bistram, gehört. In unmittelbarer Nähe wohnt auf Schloss Kaibitz bei Kemnath der Schriftsteller und UFA-Drehbuchautor Erich Ebermayer und auf Schloss Wolframshof bei Kastl die weitgereiste Presse- und Theaterzeichnerin Christa von der Schulenburg. Zusammen mit den Literaturwissenschaftlern Carl Friedrich Wilhelm Behl, Peer Baedeker und Felix A. Voigt in Bern- und Oberndorf hat sich in den 1940ern um Ebermayers Schloss eine Dichterkolonie gebildet, wo sich Dichter und Schauspieler, Journalisten und Künstler ein Stelldichein geben. 1945 folgt Gertrud von den Brinckens Ehemann nach Schloss Unterbruck.

Schloss Unterbruck bei Kastl – Foto: Felix Mader: Kunstdenkmäler des Königreichs Bayern. Bezirksamt Kemnath, München 1907, S. 80

Walther Schmied-Kowarzik wird jedoch von der US-Military Police im Mai 1945 wegen diverser NS-Parteiämter verhaftet und bis Dezember 1945 ins nahe Gefängnis Kemnath verbracht mit anschließendem Aufenthalt bis Mai 1946 im US-Internierungslager Moosburg bei Freising. Die Familie führt fünf Jahre lang ein entbehrungsreiches Flüchtlingsleben. Jahre später erinnert daran die poetische Skizze Wie ich Oberpfälzerin wurde (1978). Für die Beilage „Heimat“ der Kemnather Zeitung, des Heimatblattes für den Landkreis Kemnath und Umgebung schreibt Gertrud von den Brincken heimatkundliche und literarische Beiträge.

1950 zieht Gertrud von den Brincken in die Donau-, Bischofs- und Oberpfälzer Bezirkshauptstadt Regensburg, wo sie für ihr literarisches Werk gewürdigt wird. So erhält sie, seit 1961 Mitglied der Regensburger Schriftstellergruppe International (RSGI), 1976 den Nordgaupreis für Dichtung, 1977 die Albertus-Magnus-Medaille der Stadt Regensburg, 1979 die Ehrengabe zum Andreas-Gryphius-Preis der ostdeutschen Künstlergilde Esslingen und 1982 das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Zwar hat sich Gertrud von den Brincken von Anfang an der Lyrik verschrieben (Wer nicht das Dunkel kennt, 1911), aber seit 1937 hat sie auch die baltische Thematik in ihre Romane (März, 1937; Herbst auf Herrenhöfen, 1939; Unsterbliche Wälder, 1941) einfließen lassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erscheint ihr Jugendbuch Helmut sucht einen Freund (1949), 1959 die Erzählung Aina. Im gleichen Jahr wendet sie sich der dramatischen Form zu. Das Hörspiel Der Kinderring wird erfolgreich gesendet. 1961 erscheint ihr Lyrik- und Prosaband Abschied. 1977 folgen noch die Schauspiele Die Sintflut und Wasser der Wüste.

Empfang anlässlich der Romanveröffentlichung Nächte am 6.11.1981 durch Bürgermeister Elmar Schieder – Foto: Stadt Regensburg – Bilddokumentation (Foto-Docu 3374-25)

Wie die bedeutende Königsberger Dichterin Agnes Miegel (Es war ein Land) in ihrer ostpreußischen Heimat, so wurzelt Gertrud von den Brincken mit ihren balladesken und lyrischen Elementen tief in der kurischen Landschaft. Baltische Landschaft und baltisches Schicksal werden in schmerzhafter Erinnerung beschworen unter Anerkennung des trotz Leidens und Aufbegehrens letztlich Unabänderlichen. Wie bei vielen heimatvertriebenen ostdeutschen Schriftstellern und Dichtern (u.a. Otfried Preußler, Johannes Bobrowski, Hans-Jürgen Heise, Günter Grass und Horst Bienek) ist zwar ihre geographische Heimat ‚äußerlich‘ verloren, bleibt aber ‚geistig‘ unverlierbar und besteht in der Literatur fort. Gertrud von den Brincken gehört neben Siegfried von Vegesack und Werner Bergengruen zum namhaften und festen Bestandteil der deutschen Literatur des Baltikums.

Am 17. November 1982 stirbt Gertrud von den Brincken in Regensburg. Ihre letzte Ruhestätte findet sie an der Seite ihres bereits 1958 verstorbenen Ehemanns in dessen österreichischer Heimat in Mödling bei Wien.

Zu ihrem 100. Geburtstag und 10. Todestag 1992 erscheint der Doppelband nachgelassener Gedichte Gezeiten und Ausklang, ediert von Winno von Löwenstein. 2011 folgt Gertrud von den Brincken. Gesamtauswahl der Lyrik in vier Bänden mit Nachworten von Iris von Gottberg.

Verfasst von: Bernhard M. Baron / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

Baron, Bernhard M. (2014): Erich Ebermayer. Erinnnerung an einen (fast) vergessenen Schriftsteller und Drehbuchautor. In: Oberpfälzer Heimat 58, S. 219-229.

Ders. (2020): Wie ich Oberpfälzerin wurde. Gertrud von den Brincken auf Schloss Unterbruck. Aus einer Zeit als im Kemnather Land für kurze Zeit eine Dichterkolonie bestand. In: Heimat-Landkreis Tirschenreuth Bd. 32, S. 32-39.

Brincken, Gertrud von (1978): Wie ich Oberpfälzerin wurde. In: 22. Bayerischer Nordgautag 1978 in Waldmünchen (FS). Kallmünz, S. 72-75.

Hörner, Petra (2007): Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburg. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 3 Bde. Berlin/New York.

Raab, Harald (2017): Weltbürgerin mit Herz. Vor 125 Jahren wurde die Dichterin Gertrud von den Brincken geboren. In: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg), Kultur, 16. April.

Sass, Vera von (1983), Gertrud von den Brincken. In: Jahrbuch des baltischen Deutschtums 31, S. 17f.

Schön, Robert (2019): Von Autoren und solchen, die dazu gemacht wurden. Heimat-Beilage der Kemnather Zeitung, des Heimatblattes für Kemnath und Umgebung. In: Heimat-Landkreis Tirschenreuth 31, S. 138f.

Thieser, Bernd (1991): Unterbruck. Zur Geschichte des Hammerschlosses an der Haidenaab (Hirschberg-Schriften 2 der Otnant-Gesellschaft). Pressath.

Wilpert, Gero von (2005): Deutschbaltische Literaturgeschichte. München, S. 210f.


Externe Links:

Zur Homepage der Autorin

Literatur von Gertrud von den Brincken im BVB

Literatur über Gertrud von den Brincken im BVB

Gertrud von den Brincken im Kulturportal West Ost

Gertrud von den Brincken in der Wikipedia