Ulrich Schiegg
1784 erscheint die „Nachricht über einen Aerostatischen Versuch, welcher in dem Reichsstifte Ottobeuren vorgenommen worden am 22. Jenner 1784.“ Hinter dem anonymen Verfasser des Traktats verbirgt sich der Ottobeurer Benediktinermönch Ulrich Schiegg (1752-1810), dem am 22. Januar 1784 der erste unbemannte Ballonflug in Deutschland gelingt. Das Kloster Ottobeuren wird damit zur „Wiege der deutschen Luftfahrt“.
Pater Ulrich Schiegg stammt aus Gosbach (bis 1806 Teil des Kurfürstentums Bayern, heute ein Ortsteil der baden-württembergischen Gemeinde Bad Ditzenbach). Dort kommt er 1752 unter dem Namen Joseph Schiekh als erstgeborener Sohn eines Kleinbauern zur Welt. Nach dem Besuch der Klosterschulen in Zweifalten und Ehingen tritt er 1770 in das Benediktinerstift Ottobeuren ein, legt 1771 die Ordensgelübde ab und nimmt den Ordensnamen Ulrich an. Früh zeigt sich sein Interesse für naturwissenschaftliche Themen. Er beginnt, sich mit Uhrmacherkunst und Mechanik zu beschäftigen, wird nach der Priesterweihe 1775 Lehrer für Mathematik und Physik am Stiftsgymnasium und Professor für Astronomie und Philosophie an der hausinternen Hochschule. Ab 1784 beschäftigt sich Pater Ulrich Schiegg im Zuge der Vermessung des klösterlichen Grundbesitzes mit Geodäsie und Kartographie. Zugleich experimentiert er, angeregt durch die Berichte über den Ballonstart der Brüder Montgolfier 1783, erfolgreich mit der geheimnisvollen „brennbaren Luft“, die Ballons zum Fliegen bringt und lässt im Januar 1784 den ersten Heißluftballon im Klosterhof Ottobeuren steigen.
Von 1791 bis 1800 lehrt Schiegg Mathematik, Astronomie, Physik und Landwirtschaft an der Universität Salzburg, er ist wiederholt Dekan der Philosophischen Fakultät. Er vermisst den Untersberg und kombiniert barometrische Höhenmessung mit trigonometrischen Methoden. Ihm wird die Leitung über die Errichtung von Blitzableitern an über 140 Privatgebäuden in der Stadt Salzburg übertragen und dank seinen Berechnungen können bedeutende Holzmengen in den erzbischöflichen Salzsudwerken eingespart werden. 1800 führt er bei einer Expedition zum Gipfel des Großglockners Höhenmessungen durch und wird noch im selben Jahr ins Kloster Ottobeuren zurückgerufen, um Abt Honorat zu unterstützen. Als Klosterverwalter muss Schiegg 1802 an der Säkularisation des Klosters Ottobeuren mitwirken.
Die bayerische Regierung beruft ihn anschließend nach München, wo Schiegg im ehemaligen Jesuitenkolleg ein kleines Observatorium, die erste Sternwarte Münchens, einrichten lässt. An der Landvermessung des neuen Königreichs Bayern, vor allem der Provinzen in Franken, ist Schiegg wesentlich beteiligt. Seine Berechnungen sichern die vermessungstechnische Genauigkeit des bayerischen Trigonometrischen Netzes. Das Angebot, die Professur der Astronomie und Mathematik an der Universität Würzburg zu übernehmen, lehnt er ab. Bei einem Unfall mit seiner Pferdekutsche in Ehingen am Hesselberg 1807 erleidet der Benediktinerpater schwere Verletzungen, von denen er sich nie mehr ganz erholt. 1810 stirbt er hochgeehrt als Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Königlichen Steuervermessungskommission und wird auf dem Alten Südfriedhof in München beigesetzt.
Dem großen Mathematiker, Landvermesser und Astronom Pater Ulrich Schiegg sind die Grundschule und eine Straße in seinem Geburtsort Gosbach gewidmet, ebenso eine Straße im Universitätsviertel Augsburg und im Münchner Stadtteil Solln.
Sekundärliteratur:
Feyerabend, Maurus (1816): Ottenbeurer Jahrbücher Bd. IV, S. 183.
Lindner, Pirmin August (1880): Die Schriftsteller und die um Wissenschaft und Kunst verdienten Mitglieder des Benediktiner-Ordens im heutigen Königreich Bayern, S. 98-102.
Lindner, Pirmin (1904): Album Ottoburanum. Die Äbte und Mönche des ehemaligen freien Reichs-Stiftes Ottobeuren, Benediktiner-Ordens in Schwaben und deren literarischer Nachlass von 794 bis zu ihrem Aussterben (1858). In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg, 31. Jg., Nr. 671, S. 46-50.
Mader, Ernst T. (1994): Literarische Landschaft bayerisches Allgäu. Blöcktach, S. 73.
Prinz, Max (1986): Pater Ulrich Schiegg. Ein Genie im Ordenskleid. In: Ottobeuren. Schicksal einer schwäbischen Reichsabtei, hg. Aegidius Kolb, S. 185-198.
Veit, H. (1964): P. Ulrich Schiegg von Ottobeuren (1752-1810) und die bayerische Landesvermessung. In: Schwarzmaier Hansmartin (Hg.): Ottobeuren 764-1964. Beiträge zur Geschichte der Abtei, Augsburg, S. 153-167.
Schiegg, Ulrich. In: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 738. URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117228516.html#ndbcontent, (12.11.2024).
Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung. Personen der bayerischen Vermessungsgeschichte. URL: https://www.ldbv.bayern.de/ueberuns/geschichte/personen.html, (12.11.2024).
Virtuelles Museum Ottobeuren. URL: https://www.ottobeuren-macht-geschichte.de/items/show/523, (12.11.2024).
Externe Links:
1784 erscheint die „Nachricht über einen Aerostatischen Versuch, welcher in dem Reichsstifte Ottobeuren vorgenommen worden am 22. Jenner 1784.“ Hinter dem anonymen Verfasser des Traktats verbirgt sich der Ottobeurer Benediktinermönch Ulrich Schiegg (1752-1810), dem am 22. Januar 1784 der erste unbemannte Ballonflug in Deutschland gelingt. Das Kloster Ottobeuren wird damit zur „Wiege der deutschen Luftfahrt“.
Pater Ulrich Schiegg stammt aus Gosbach (bis 1806 Teil des Kurfürstentums Bayern, heute ein Ortsteil der baden-württembergischen Gemeinde Bad Ditzenbach). Dort kommt er 1752 unter dem Namen Joseph Schiekh als erstgeborener Sohn eines Kleinbauern zur Welt. Nach dem Besuch der Klosterschulen in Zweifalten und Ehingen tritt er 1770 in das Benediktinerstift Ottobeuren ein, legt 1771 die Ordensgelübde ab und nimmt den Ordensnamen Ulrich an. Früh zeigt sich sein Interesse für naturwissenschaftliche Themen. Er beginnt, sich mit Uhrmacherkunst und Mechanik zu beschäftigen, wird nach der Priesterweihe 1775 Lehrer für Mathematik und Physik am Stiftsgymnasium und Professor für Astronomie und Philosophie an der hausinternen Hochschule. Ab 1784 beschäftigt sich Pater Ulrich Schiegg im Zuge der Vermessung des klösterlichen Grundbesitzes mit Geodäsie und Kartographie. Zugleich experimentiert er, angeregt durch die Berichte über den Ballonstart der Brüder Montgolfier 1783, erfolgreich mit der geheimnisvollen „brennbaren Luft“, die Ballons zum Fliegen bringt und lässt im Januar 1784 den ersten Heißluftballon im Klosterhof Ottobeuren steigen.
Von 1791 bis 1800 lehrt Schiegg Mathematik, Astronomie, Physik und Landwirtschaft an der Universität Salzburg, er ist wiederholt Dekan der Philosophischen Fakultät. Er vermisst den Untersberg und kombiniert barometrische Höhenmessung mit trigonometrischen Methoden. Ihm wird die Leitung über die Errichtung von Blitzableitern an über 140 Privatgebäuden in der Stadt Salzburg übertragen und dank seinen Berechnungen können bedeutende Holzmengen in den erzbischöflichen Salzsudwerken eingespart werden. 1800 führt er bei einer Expedition zum Gipfel des Großglockners Höhenmessungen durch und wird noch im selben Jahr ins Kloster Ottobeuren zurückgerufen, um Abt Honorat zu unterstützen. Als Klosterverwalter muss Schiegg 1802 an der Säkularisation des Klosters Ottobeuren mitwirken.
Die bayerische Regierung beruft ihn anschließend nach München, wo Schiegg im ehemaligen Jesuitenkolleg ein kleines Observatorium, die erste Sternwarte Münchens, einrichten lässt. An der Landvermessung des neuen Königreichs Bayern, vor allem der Provinzen in Franken, ist Schiegg wesentlich beteiligt. Seine Berechnungen sichern die vermessungstechnische Genauigkeit des bayerischen Trigonometrischen Netzes. Das Angebot, die Professur der Astronomie und Mathematik an der Universität Würzburg zu übernehmen, lehnt er ab. Bei einem Unfall mit seiner Pferdekutsche in Ehingen am Hesselberg 1807 erleidet der Benediktinerpater schwere Verletzungen, von denen er sich nie mehr ganz erholt. 1810 stirbt er hochgeehrt als Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Königlichen Steuervermessungskommission und wird auf dem Alten Südfriedhof in München beigesetzt.
Dem großen Mathematiker, Landvermesser und Astronom Pater Ulrich Schiegg sind die Grundschule und eine Straße in seinem Geburtsort Gosbach gewidmet, ebenso eine Straße im Universitätsviertel Augsburg und im Münchner Stadtteil Solln.
Feyerabend, Maurus (1816): Ottenbeurer Jahrbücher Bd. IV, S. 183.
Lindner, Pirmin August (1880): Die Schriftsteller und die um Wissenschaft und Kunst verdienten Mitglieder des Benediktiner-Ordens im heutigen Königreich Bayern, S. 98-102.
Lindner, Pirmin (1904): Album Ottoburanum. Die Äbte und Mönche des ehemaligen freien Reichs-Stiftes Ottobeuren, Benediktiner-Ordens in Schwaben und deren literarischer Nachlass von 794 bis zu ihrem Aussterben (1858). In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg, 31. Jg., Nr. 671, S. 46-50.
Mader, Ernst T. (1994): Literarische Landschaft bayerisches Allgäu. Blöcktach, S. 73.
Prinz, Max (1986): Pater Ulrich Schiegg. Ein Genie im Ordenskleid. In: Ottobeuren. Schicksal einer schwäbischen Reichsabtei, hg. Aegidius Kolb, S. 185-198.
Veit, H. (1964): P. Ulrich Schiegg von Ottobeuren (1752-1810) und die bayerische Landesvermessung. In: Schwarzmaier Hansmartin (Hg.): Ottobeuren 764-1964. Beiträge zur Geschichte der Abtei, Augsburg, S. 153-167.
Schiegg, Ulrich. In: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 738. URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117228516.html#ndbcontent, (12.11.2024).
Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung. Personen der bayerischen Vermessungsgeschichte. URL: https://www.ldbv.bayern.de/ueberuns/geschichte/personen.html, (12.11.2024).
Virtuelles Museum Ottobeuren. URL: https://www.ottobeuren-macht-geschichte.de/items/show/523, (12.11.2024).