Alfred Dessauer
Alfred Dessauer wird als Sohn des Immobilienagenten Rudolf Dessauer und seiner Frau Sofie, geb. Mendle geboren. Er besucht das Wilhelms-Gymnasium in München und studiert nach einem Jahr als Einjährig-Freiwilliger Medizin in München, wo er seit 1895 Mitglied der Burschenschaft Guelfia ist. Nach seiner Approbation arbeitet er u.a. als Schiffsarzt auf Fahrten, die ihn bis nach Japan führen. Im Jahr 1906 promoviert er bei dem Pathologen Otto von Bollinger über Sinusthrombose bei Scharlach und eröffnet 1908 eine Praxis in der Dachauer Straße 12/II als „Praktischer Arzt speziell für Haut- und Geschlechtsleiden, psychische Störungen im Sexualgebiet“. In dieser Funktion publiziert er im Verlag Oscar Coblentz 1914 ein Heftchen u.d.T. Die mangelhafte Funktion und der Misserfolg im Geschlechtsleben des Mannes . Ein Trostwort für die Zaghaften und Schwachen von Dr. med. A. Dessauer, München.
Als Stabsarzt der Reserve meldet er sich als Kriegsfreiwilliger. Wenige Wochen nach Kriegsbeginn wird er hinter der Front ohnmächtig aufgefunden und mit hochgradigem Fieber ins Lazarett von Le Cateau gebracht, wo er, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen, an einer Lungenentzündung verstirbt. (Laut Kriegsstammrolle des 1. Feld-Artillerie-Regiments und dem Familien-Bogen im Stadtarchiv München ist das Sterbedatum der 23. September, nicht der 22., wie Dreyer und andere angeben.) Dessauer ist ledig und wird von seiner verwitweten Mutter überlebt.
In den Jahren zwischen Berufsausbildung und Kriegsbeginn ist er neben seiner Tätigkeit als Arzt unermüdlich als Alpinist und Schriftsteller tätig. Er macht sich in Bergsteigerkreisen einen Namen mit Touren wie der Erstersteigung der Lamsenspitze-Ostwand mit Paul Huebel. Einem größeren Publikum bekannt wird er aber vor allem durch seine Bergsteigerromane wie Verstiegen? alpin-psychologischer Roman (1902) und Das Totenwannerl: Ein humoristischer Roman aus dem Bergsteigerleben (1903) oder Erzählbände wie Jochwind: ernste und launige Erzählungen aus luft'ger Höhe (1902), Mit krummer Feder auf grünem Hut: Ernste und heitere Erzählungen (1905) oder Die Faust am Pickel. Erzählungen aus schwindligen Höhen (1914). Alois Dreyers Nachruf hebt hervor: „Mancher seiner alpinen Romane zeigt eine ganz bemerkenswerte dramatische Höhe [...] und alle seine Schriften zeigen – im Gegensatz zu manchem sogenannten ‚alpinen‘ Roman – die umfassende alpine Erfahrung des Dichters“.
Mit der Sammlung Wenn Bauern Komödie spielen und andere lustige Bosheiten (1912) beweist er satirische Qualitäten, die aber auch in seinen Bergsteigergeschichten aufleuchten wie hier in „Der teutsche Mann“:
Was für ein gewaltiges Selbstbewusstsein lag in diesen Worten. Er drehte sich lachend um und verschwand in der Hütte, ich folgte nach, und was sah ich! Peterhaus, mein Peterhaus, der Bezwinger der Rote-Mann-Nordwand dienerte und katzenbuckelte vor einem kleinen Herrn, wagte kaum abzulegen, stammelte Entschuldigungen, überhaupt hier zu sein und erging sich in Formalitäten. Er setzte sich nicht, bevor er den kleinen Herrn um Erlaubnis gebeten hatte, fragte, ob er den Kochherd benützen dürfe und ob er mich dem Herrn Oberschulrat vorstellen dürfe.
Mir aber war's, als schnitte mir jemand durchs Herz, als habe jemand auf eine marmorweiße Apollostatue mit Kot geworfen.
Buch und Werbemarke im Besitz des Verfassers
Daneben schreibt Dessauer Aufsätze für die Deutsche Alpenzeitung (z.B. 1908 den Nachruf auf den verunglückten Fritz Pflaum) und die Münchner Neuesten Nachrichten. 1912 erscheint Bergwanderungen in den Ostalpen: mit 10 Lichtdrucktafeln nach Original-Aufnahmen, und ein Jahr später veröffentlicht er den Abenteuerroman Die Schicksale des Alfred Haupt. Fast alle seiner Bücher werden von dem Münchner Drucker und Verleger Carl Kuhn publiziert.
Kommerziell erfolgreich ist ein Nebenprodukt seiner beruflichen und alpinen Tätigkeit: „Dr Dessauers Touring Apotheke“. Bis zuletzt, wie diese Ankündigung in der Münchener Medizinischen Wochenschrift von 1915 zeigt, verstand er es, Beruf und Schriftstellerei zu verbinden:
Eine neue Erscheinung ist des auf dem Felde der Ehre gebliebenen Münchener Kollegen Dr. A. Dessauer Hausarztkalender, verlegt bei C. Kabitzsch in Würzburg, der in Form eines Abreisskalenders wertvolle populär gehaltene ärztliche Ratschläge und 5 Merkblätter [...] gibt.
Dass er in Vergessenheit geraten ist, ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass Alfred Dessauers Werke als die eines jüdischen Schriftstellers im Nationalsozialismus verpönt waren. So dürfte es kaum ein Zufall sein, dass er ausgerechnet in Alois Dreyers Autobiographie von 1934, 70 Jahre im Rucksack, schon keine Erwähnung mehr findet.
Sekundärliteratur:
Der Verfasser dankt dem Stadtarchiv München für biographische Recherche.
Dreyer, Alois (1914): Dr. A. Dessauer. In: Mitteilungen des Deutsch-Osterreichischen Alpenvereins, S. 250.
Lamm, Hans (1958): Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. Ner-Tamid-Verlag, München, S. 253.
Externe Links:
Alfred Dessauer wird als Sohn des Immobilienagenten Rudolf Dessauer und seiner Frau Sofie, geb. Mendle geboren. Er besucht das Wilhelms-Gymnasium in München und studiert nach einem Jahr als Einjährig-Freiwilliger Medizin in München, wo er seit 1895 Mitglied der Burschenschaft Guelfia ist. Nach seiner Approbation arbeitet er u.a. als Schiffsarzt auf Fahrten, die ihn bis nach Japan führen. Im Jahr 1906 promoviert er bei dem Pathologen Otto von Bollinger über Sinusthrombose bei Scharlach und eröffnet 1908 eine Praxis in der Dachauer Straße 12/II als „Praktischer Arzt speziell für Haut- und Geschlechtsleiden, psychische Störungen im Sexualgebiet“. In dieser Funktion publiziert er im Verlag Oscar Coblentz 1914 ein Heftchen u.d.T. Die mangelhafte Funktion und der Misserfolg im Geschlechtsleben des Mannes . Ein Trostwort für die Zaghaften und Schwachen von Dr. med. A. Dessauer, München.
Als Stabsarzt der Reserve meldet er sich als Kriegsfreiwilliger. Wenige Wochen nach Kriegsbeginn wird er hinter der Front ohnmächtig aufgefunden und mit hochgradigem Fieber ins Lazarett von Le Cateau gebracht, wo er, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen, an einer Lungenentzündung verstirbt. (Laut Kriegsstammrolle des 1. Feld-Artillerie-Regiments und dem Familien-Bogen im Stadtarchiv München ist das Sterbedatum der 23. September, nicht der 22., wie Dreyer und andere angeben.) Dessauer ist ledig und wird von seiner verwitweten Mutter überlebt.
In den Jahren zwischen Berufsausbildung und Kriegsbeginn ist er neben seiner Tätigkeit als Arzt unermüdlich als Alpinist und Schriftsteller tätig. Er macht sich in Bergsteigerkreisen einen Namen mit Touren wie der Erstersteigung der Lamsenspitze-Ostwand mit Paul Huebel. Einem größeren Publikum bekannt wird er aber vor allem durch seine Bergsteigerromane wie Verstiegen? alpin-psychologischer Roman (1902) und Das Totenwannerl: Ein humoristischer Roman aus dem Bergsteigerleben (1903) oder Erzählbände wie Jochwind: ernste und launige Erzählungen aus luft'ger Höhe (1902), Mit krummer Feder auf grünem Hut: Ernste und heitere Erzählungen (1905) oder Die Faust am Pickel. Erzählungen aus schwindligen Höhen (1914). Alois Dreyers Nachruf hebt hervor: „Mancher seiner alpinen Romane zeigt eine ganz bemerkenswerte dramatische Höhe [...] und alle seine Schriften zeigen – im Gegensatz zu manchem sogenannten ‚alpinen‘ Roman – die umfassende alpine Erfahrung des Dichters“.
Mit der Sammlung Wenn Bauern Komödie spielen und andere lustige Bosheiten (1912) beweist er satirische Qualitäten, die aber auch in seinen Bergsteigergeschichten aufleuchten wie hier in „Der teutsche Mann“:
Was für ein gewaltiges Selbstbewusstsein lag in diesen Worten. Er drehte sich lachend um und verschwand in der Hütte, ich folgte nach, und was sah ich! Peterhaus, mein Peterhaus, der Bezwinger der Rote-Mann-Nordwand dienerte und katzenbuckelte vor einem kleinen Herrn, wagte kaum abzulegen, stammelte Entschuldigungen, überhaupt hier zu sein und erging sich in Formalitäten. Er setzte sich nicht, bevor er den kleinen Herrn um Erlaubnis gebeten hatte, fragte, ob er den Kochherd benützen dürfe und ob er mich dem Herrn Oberschulrat vorstellen dürfe.
Mir aber war's, als schnitte mir jemand durchs Herz, als habe jemand auf eine marmorweiße Apollostatue mit Kot geworfen.
Buch und Werbemarke im Besitz des Verfassers
Daneben schreibt Dessauer Aufsätze für die Deutsche Alpenzeitung (z.B. 1908 den Nachruf auf den verunglückten Fritz Pflaum) und die Münchner Neuesten Nachrichten. 1912 erscheint Bergwanderungen in den Ostalpen: mit 10 Lichtdrucktafeln nach Original-Aufnahmen, und ein Jahr später veröffentlicht er den Abenteuerroman Die Schicksale des Alfred Haupt. Fast alle seiner Bücher werden von dem Münchner Drucker und Verleger Carl Kuhn publiziert.
Kommerziell erfolgreich ist ein Nebenprodukt seiner beruflichen und alpinen Tätigkeit: „Dr Dessauers Touring Apotheke“. Bis zuletzt, wie diese Ankündigung in der Münchener Medizinischen Wochenschrift von 1915 zeigt, verstand er es, Beruf und Schriftstellerei zu verbinden:
Eine neue Erscheinung ist des auf dem Felde der Ehre gebliebenen Münchener Kollegen Dr. A. Dessauer Hausarztkalender, verlegt bei C. Kabitzsch in Würzburg, der in Form eines Abreisskalenders wertvolle populär gehaltene ärztliche Ratschläge und 5 Merkblätter [...] gibt.
Dass er in Vergessenheit geraten ist, ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass Alfred Dessauers Werke als die eines jüdischen Schriftstellers im Nationalsozialismus verpönt waren. So dürfte es kaum ein Zufall sein, dass er ausgerechnet in Alois Dreyers Autobiographie von 1934, 70 Jahre im Rucksack, schon keine Erwähnung mehr findet.
Der Verfasser dankt dem Stadtarchiv München für biographische Recherche.
Dreyer, Alois (1914): Dr. A. Dessauer. In: Mitteilungen des Deutsch-Osterreichischen Alpenvereins, S. 250.
Lamm, Hans (1958): Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. Ner-Tamid-Verlag, München, S. 253.