Lydia Danöfen
Die Münchner Schriftstellerin Lydia Danöfen veröffentlicht im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts drei Bücher, eine Novelle und zwei Romane im Albert Langen Verlag. Lydia Danöfen ist ein Pseudonym, das Lydia Mauser, die Gattin eines Münchner Arztes, in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als Namen für ihre literarischen Werke verwendet hat. Über ihr Leben ist nichts bekannt. Auch ihr Geburts- und Sterbedatum sind unbekannt.
1907 kommt das erste größere Werk der Autorin heraus, die Novelle Estella, die im Berliner Verlag C. Wigand erscheint. Hier erzählt sie die Liebesgeschichte zwischen Estella Brand, der schönen Nichte eines reichen Privatiers und einem Künstler, dem vielgereisten ungarischen Maler Leo Makassy. Während eines Studienaufenthaltes auf dem Land begegnet Leo Makassy der blutjungen Schönheit Estella, die mehrere Wochen zu Besuch bei ihrem Onkel in einer vornehmen Villa weilt. Makassy erhält schließlich den Auftrag, ein Porträt von Estella zu malen. Im Laufe der Sitzungen entwickelt sich bald eine zerstörerische Liebe, die Estella in den Abgrund zu ziehen droht. Danöfens Estella muss den Dichter Paul Heyse sehr beeindruckt haben. Sie findet sich in seinem Nachlass und ist hier auch mit Anstreichungen versehen. 1922 gibt der H. Hilger Verlag Lydia Danöfens Novelle Estella ein weiteres Mal heraus. 1911 erscheint im renommierten Münchner Verlag von Albert Langen dann der erste Roman Lydia Danöfens: Der Charlatan ist eine humorvolle Geschichte, die voll ist von amüsanten Episoden; tatsächlich umschließen diese aber ein sehr ernstes sittliches Problem, denn sie führen in unerbittlicher Konsequenz die Entwicklung eines gesinnungstüchtigen Arztes und Menschen zum Charlatan vor. Der Albert Langen Verlag wirbt entsprechend für Lydia Danöfens Roman:
Ein Stück tragikomisches Menschenleben wird hier mit wirkungsvollen Farben und kühnem Griff entrollt. Die grellen Kontraste zwischen Sein und Schein, die Widersprüche zwischen dem Innen und Außenleben hat Lydia Danöfen zum Gegenstande ihres Buches genommen und mit seltenem Mut und starkem humoristischen Talent geschildert. Der Held des Romans ist ein junger Arzt, der mit einem Herzen voll Ehrlichkeit und Liebe zu seinem Beruf, mit einer an Selbstverleugnung grenzenden Güte, mit einem lichten Glauben an die Menschen und mit einer fast kindischen Unerfahrenheit in das öffentliche Wirken tritt. Er erblickt den Zweck des Lebens in der selbstlosen Betätigung im Dienste der Menschheit. Aber allzubald kommt die Ernüchterung in der Form jener Widerwärtigkeiten, Enttäuschungen, malitiösen Entgleisungen und perfiden Bitternisse, an denen das Leben so reich ist... Langsam vollzieht sich in ihm eine Wandlung, langsam entsagt er seinen Idealen, um unter der Wucht der grausamen Wirklichkeit und der Erkenntnis seiner inneren Schwäche zum Charlatan zu werden... Voll witziger Einfälle und drolliger Komik schildert die Verfasserin das Schicksal ihres Helden und seiner Umgebung, unerschrocken beleuchtet sie die tragischen Folgen menschlicher Eitelkeit und Schwäche, darunter viele in allen Berufen und auf allen Gebieten leiden. Lydia Danöfen versteht es scharf zu beobachten und ihre Beobachtungen in ansprechende Form zu kleiden. Ihr Buch Der Charlatan ist durch das behandelte Problem in hohem Maße anregend, durch seinen ungekünstelten Humor im besten Sinne unterhaltend.
Foto: Ingvild Richardsen
Bereits ein Jahr später, 1912, gibt der Albert Langen Verlag Lydia Danöfens Roman Maruschka heraus. Hier bezaubert eine illegitime Fürstentochter von fantastischer Schönheit ihre Umgebung; darunter ein Bürgersohn, der sie heiraten und aus dem exotischen, unsauberen Milieu befreien will. Auch sie selbst trachtet nach Reinheit, nach Sitte und Gesetz deutschen Bürgertums. Aber die Schwüle und Dämonie des russischen Grisettentums verblenden ihre Wünsche und Entscheidungen. In einem leidenschaftlichen Kampf mit sich selbst erliegt sie. Der Albert Langen Verlag stellt Danöfens Buch folgendermaßen vor:
Lydia Danöfen, die mit ihrem ersten Roman Der Charlatan einen so schönen Erfolg hatte, ist mit diesem neuen Buch wieder eine gute und schöne Leistung geglückt. Maruschka, das Mädchen aus Rußland, reift in München zur vollen Weiblichkeit und begeistert mit ihrer Schönheit einen jungen Kaufmannssohn, der sie heiraten will, ihren Bruder, der die Halbschwester wahnsinnig liebt, und ihre Eltern, die mit dem Mädchen große Geschäfte vorhaben. Die eigenartige Mischung der Typen, und vor allem deren echte Verkörperung, gelingen Lydia Danöfen ausgezeichnet. Die Entwicklung des Mädchens, das vor der ungezügelten gewaltsamen Art des Bruder sich dem wohltemperierten Wesen des jungen Deutschen zuwendet und schliesslich, reif und blutvoll geworden, sich doch ihrer wahren Natur und Bestimmung nicht entziehen kann, den Verlobten abschreibt, und in das Land mit reichen Fürsten und schönen Mätressen zurückkehrt, ist überaus interessant und mit lebendiger Wirklichkeit geschildert.
In einem Verlagsprospekt Wertvolle Bücher von Frauen, den der Albert Langen Verlag im Jahr 1912 herausgibt, wird für Lydia Danöfens zwei Romane geworben, sie finden sich nun Seite an Seite mit Werken von Lena Christ, Franziska von Reventlow, Helene Böhlau und Mia Holm. Angepriesen werden Der Charlatan und Maruschka hier mit Worten, die aus einer Rezension der Zeitschrift Die Zukunft aus Berlin stammen: „Diese beiden Romane erregen Verwunderung und Bewunderung, weil sie eine Frau zur Verfasserin haben und alle Eigenschaften besitzen, die weiblichen Autoren meist fehlen: Knappheit der Form, Eleganz des Stils, Witz, Mangel an Sentimentalität, geistige Beweglichkeit, Ernst ohne Schwere, Tiefe und Düsterheit.“
Georg Queri und Ludwig Thoma nehmen die Autorin Lydia Danöfen 1913 in ihr Bayernbuch Hundert Autoren eines Jahrtausends als nur eine von fünf Autorinnen auf, neben Emma Haushofer-Merk, Anna Croissant-Rust, Lena Christ, Dora Stieler und Clara Hätzlerin. Und noch über 10 Jahre später führt der Kunsthistoriker, Schriftsteller und Journalist Georg Jacob Wolf (1852-1936) Lydia Danöfen 1924 in der Liste der Frauen auf, die ihm zufolge tatsächlich den echten „Münchner Roman“ schreiben können.
Sekundärliteratur:
Albert Langen Verlag (Hg.) (1912): Verlagsprospekt. Wertvolle Bücher von Frauen. Stuttgart.
Queri, Georg; Thoma, Ludwig (Hg.) (1913): Bayernbuch. 100 bayerische Autoren eines Jahrtausends. Albert Langen Verlag, München.
Wolf, Georg Jacob (1924): Die Münchnerin. Kultur und Sittenbilder. Aus dem Alten und Neuen München. Franz Hanfstaengl Verlag, München, S. 269.
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Die Münchner Schriftstellerin Lydia Danöfen veröffentlicht im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts drei Bücher, eine Novelle und zwei Romane im Albert Langen Verlag. Lydia Danöfen ist ein Pseudonym, das Lydia Mauser, die Gattin eines Münchner Arztes, in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als Namen für ihre literarischen Werke verwendet hat. Über ihr Leben ist nichts bekannt. Auch ihr Geburts- und Sterbedatum sind unbekannt.
1907 kommt das erste größere Werk der Autorin heraus, die Novelle Estella, die im Berliner Verlag C. Wigand erscheint. Hier erzählt sie die Liebesgeschichte zwischen Estella Brand, der schönen Nichte eines reichen Privatiers und einem Künstler, dem vielgereisten ungarischen Maler Leo Makassy. Während eines Studienaufenthaltes auf dem Land begegnet Leo Makassy der blutjungen Schönheit Estella, die mehrere Wochen zu Besuch bei ihrem Onkel in einer vornehmen Villa weilt. Makassy erhält schließlich den Auftrag, ein Porträt von Estella zu malen. Im Laufe der Sitzungen entwickelt sich bald eine zerstörerische Liebe, die Estella in den Abgrund zu ziehen droht. Danöfens Estella muss den Dichter Paul Heyse sehr beeindruckt haben. Sie findet sich in seinem Nachlass und ist hier auch mit Anstreichungen versehen. 1922 gibt der H. Hilger Verlag Lydia Danöfens Novelle Estella ein weiteres Mal heraus. 1911 erscheint im renommierten Münchner Verlag von Albert Langen dann der erste Roman Lydia Danöfens: Der Charlatan ist eine humorvolle Geschichte, die voll ist von amüsanten Episoden; tatsächlich umschließen diese aber ein sehr ernstes sittliches Problem, denn sie führen in unerbittlicher Konsequenz die Entwicklung eines gesinnungstüchtigen Arztes und Menschen zum Charlatan vor. Der Albert Langen Verlag wirbt entsprechend für Lydia Danöfens Roman:
Ein Stück tragikomisches Menschenleben wird hier mit wirkungsvollen Farben und kühnem Griff entrollt. Die grellen Kontraste zwischen Sein und Schein, die Widersprüche zwischen dem Innen und Außenleben hat Lydia Danöfen zum Gegenstande ihres Buches genommen und mit seltenem Mut und starkem humoristischen Talent geschildert. Der Held des Romans ist ein junger Arzt, der mit einem Herzen voll Ehrlichkeit und Liebe zu seinem Beruf, mit einer an Selbstverleugnung grenzenden Güte, mit einem lichten Glauben an die Menschen und mit einer fast kindischen Unerfahrenheit in das öffentliche Wirken tritt. Er erblickt den Zweck des Lebens in der selbstlosen Betätigung im Dienste der Menschheit. Aber allzubald kommt die Ernüchterung in der Form jener Widerwärtigkeiten, Enttäuschungen, malitiösen Entgleisungen und perfiden Bitternisse, an denen das Leben so reich ist... Langsam vollzieht sich in ihm eine Wandlung, langsam entsagt er seinen Idealen, um unter der Wucht der grausamen Wirklichkeit und der Erkenntnis seiner inneren Schwäche zum Charlatan zu werden... Voll witziger Einfälle und drolliger Komik schildert die Verfasserin das Schicksal ihres Helden und seiner Umgebung, unerschrocken beleuchtet sie die tragischen Folgen menschlicher Eitelkeit und Schwäche, darunter viele in allen Berufen und auf allen Gebieten leiden. Lydia Danöfen versteht es scharf zu beobachten und ihre Beobachtungen in ansprechende Form zu kleiden. Ihr Buch Der Charlatan ist durch das behandelte Problem in hohem Maße anregend, durch seinen ungekünstelten Humor im besten Sinne unterhaltend.
Foto: Ingvild Richardsen
Bereits ein Jahr später, 1912, gibt der Albert Langen Verlag Lydia Danöfens Roman Maruschka heraus. Hier bezaubert eine illegitime Fürstentochter von fantastischer Schönheit ihre Umgebung; darunter ein Bürgersohn, der sie heiraten und aus dem exotischen, unsauberen Milieu befreien will. Auch sie selbst trachtet nach Reinheit, nach Sitte und Gesetz deutschen Bürgertums. Aber die Schwüle und Dämonie des russischen Grisettentums verblenden ihre Wünsche und Entscheidungen. In einem leidenschaftlichen Kampf mit sich selbst erliegt sie. Der Albert Langen Verlag stellt Danöfens Buch folgendermaßen vor:
Lydia Danöfen, die mit ihrem ersten Roman Der Charlatan einen so schönen Erfolg hatte, ist mit diesem neuen Buch wieder eine gute und schöne Leistung geglückt. Maruschka, das Mädchen aus Rußland, reift in München zur vollen Weiblichkeit und begeistert mit ihrer Schönheit einen jungen Kaufmannssohn, der sie heiraten will, ihren Bruder, der die Halbschwester wahnsinnig liebt, und ihre Eltern, die mit dem Mädchen große Geschäfte vorhaben. Die eigenartige Mischung der Typen, und vor allem deren echte Verkörperung, gelingen Lydia Danöfen ausgezeichnet. Die Entwicklung des Mädchens, das vor der ungezügelten gewaltsamen Art des Bruder sich dem wohltemperierten Wesen des jungen Deutschen zuwendet und schliesslich, reif und blutvoll geworden, sich doch ihrer wahren Natur und Bestimmung nicht entziehen kann, den Verlobten abschreibt, und in das Land mit reichen Fürsten und schönen Mätressen zurückkehrt, ist überaus interessant und mit lebendiger Wirklichkeit geschildert.
In einem Verlagsprospekt Wertvolle Bücher von Frauen, den der Albert Langen Verlag im Jahr 1912 herausgibt, wird für Lydia Danöfens zwei Romane geworben, sie finden sich nun Seite an Seite mit Werken von Lena Christ, Franziska von Reventlow, Helene Böhlau und Mia Holm. Angepriesen werden Der Charlatan und Maruschka hier mit Worten, die aus einer Rezension der Zeitschrift Die Zukunft aus Berlin stammen: „Diese beiden Romane erregen Verwunderung und Bewunderung, weil sie eine Frau zur Verfasserin haben und alle Eigenschaften besitzen, die weiblichen Autoren meist fehlen: Knappheit der Form, Eleganz des Stils, Witz, Mangel an Sentimentalität, geistige Beweglichkeit, Ernst ohne Schwere, Tiefe und Düsterheit.“
Georg Queri und Ludwig Thoma nehmen die Autorin Lydia Danöfen 1913 in ihr Bayernbuch Hundert Autoren eines Jahrtausends als nur eine von fünf Autorinnen auf, neben Emma Haushofer-Merk, Anna Croissant-Rust, Lena Christ, Dora Stieler und Clara Hätzlerin. Und noch über 10 Jahre später führt der Kunsthistoriker, Schriftsteller und Journalist Georg Jacob Wolf (1852-1936) Lydia Danöfen 1924 in der Liste der Frauen auf, die ihm zufolge tatsächlich den echten „Münchner Roman“ schreiben können.
Albert Langen Verlag (Hg.) (1912): Verlagsprospekt. Wertvolle Bücher von Frauen. Stuttgart.
Queri, Georg; Thoma, Ludwig (Hg.) (1913): Bayernbuch. 100 bayerische Autoren eines Jahrtausends. Albert Langen Verlag, München.
Wolf, Georg Jacob (1924): Die Münchnerin. Kultur und Sittenbilder. Aus dem Alten und Neuen München. Franz Hanfstaengl Verlag, München, S. 269.