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Geb.: 13. 7.1947 in Blaichach
Foto: Werner Kuhnle, Ludwigsburg © Claire Beyer

Claire Beyer

Claire Beyer, 1947 in Blaichach im Oberallgäu geboren, entdeckt schon als Schülerin ihre Liebe zur Literatur. Sie liest mit Begeisterung Bücher von Albert Schweitzer, dem norwegischen Polarforscher Fridtjof Nansen und die Abenteuerromane des US-Schriftstellers Jack London. Die Gedichte von Rose Ausländer, Paul Celan, Pablo Neruda und Anaïs Nin erschließen ihr den Weg zur Lyrik; der Große Conrady wird ihr ständiger Begleiter. Ihre ersten eigenen Texte sind ebenfalls Gedichte. Als sie 10 Jahre alt ist, zieht die Familie vom Allgäu nach Baden-Württemberg; in Möglingen findet sie für 31 Jahre ein Zuhause. Ihre beiden Schwestern sind zugleich ihre besten Freundinnen. Sie wachsen noch enger zusammen, nachdem die Mutter schwer erkrankt und die Mädchen Verantwortung für sie übernehmen müssen. Obwohl Claire Beyer begabt ist und ihre Lehrer diese Begabung erkennen und fördern, darf sie nicht aufs Gymnasium gehen und studieren. Sie lernt zunächst den Beruf der Bankkauffrau, wird mit 20 Jahren Mutter und studiert ab dem 30. Lebensjahr – neben ihrer Arbeit in einem Steuerbüro – an der privaten, staat­lich anerkannten Fernhochschule AKAD Philosophie, Soziologie und Psychologie.

1978 gründet Claire Beyer mit Dozenten und Studenten die Autorengruppe Literateam, hier findet sie Anregung und Austausch. Auf ihrer Homepage schreibt sie hierzu:

Ein erstes Forum, eine Herausforderung. Zeigen, lesen, was da in vielen Nächten entstanden ist, Ermutigung und erste Veröffentlichungen in Anthologien. Gemeinsam mit Manfred Esser, Karl Krolow, Wolf Wondratschek, Hilde Domin und anderen. Zuspruch und Preise. Drei Jahrzehnte Gedicht um Gedicht. Einige wenige Kurzgeschichten, vielleicht auch Gedichte, die kein Ende finden wollten. Prosa, Erzählungen, ein langer Atem. Ich suchte nie den Weg dorthin. Schon eher suchte mich die Prosa [...] Die Rauken wuchsen Seite um Seite. Über sechs Jahre in jeder freien Minute. Frei hieß, die Arbeit getan zu haben. Ich lebte inzwischen alleine, tat meinen Job.

Rauken heißt ihr Prosadebüt, ein von der Fachpresse und Literaturkritik hochgelobter Roman, verlegt bei Joachim Unseld in der Frankfurter Verlagsanstalt. Elke Heidenreich bezeichnet das Buch in der der 3sat-Kulturzeit als ein „wunderbar dichtes, poetisches und trotzdem ganz gerades und klares Erstlingsbuch“. Rauken erzählt aus der Sicht eines sechsjährigen Allgäuer Mädchens von den seelischen Verwundungen und den autoritären Machtstrukturen der Nachkriegszeit. Vroni leidet unter ihrem übermächtig erscheinenden, autoritären Großvater und den Wutausbrüchen ihres unberechenbaren und vom Krieg schwer gezeichneten Vaters; ihre Mutter vermag sie nicht zu schützen. Rauken erlebt vier Hardcover-Auflagen, eine Lizenz- sowie eine Taschenbuchausgabe in sechsstelliger Auflage, dazu eine Hörbuch-Vertonung mit Monica Bleibtreu. Es wird ins Dänische und Französische übersetzt; nur sechs Jahre nach dem Erscheinen liegen eine Zulassungs- und eine Diplom­­arbeit zu diesem Buch vor. 2018 schließlich setzt sich der Literaturwissenschaftler Antonius Weixler im Rahmen der Sonthofer Fachtagung „Die literarische Provinz. Das Allgäu und die Literatur“ mit diesem Erzählwerk auseinander. Der Erfolg von Rauken ermöglicht Claire Beyer eine Existenz als freie Schriftstellerin.

Auch ihr Erzählband Rosenhain – Sechs Geschichten von fünf Sinnen (2003) wird positiv rezensiert; Gerd Scobel lobt im WDR, dass die Autorin es verstehe, „gleichzeitig zu erzählen und zu verschwei­gen. Ihre Sprache hat eine schwer zu erklärende, aber ins Herz dringende Tiefe. Claire Beyer be­herrscht eine Kunst, in der sich andere vergebens üben: Sie kann nämlich zwischen den Zeilen schreiben [...]“. Mit dem Band Rosenhain befasst sich eine Dissertation von Patricia Santoni (2009) an der Universität Lissabon. 2006 erscheint Claire Beyers Roman Remis, eine Beziehungsgeschichte zweier unterschiedlicher Paare. 2009 folgt Rohlinge, die Geschichte eines lettischen Jungen und einer allein stehenden Grundschullehrerin. Den Hauptschauplatz ihres vierten Romans Refugium (2013) verlegt Claire Beyer nach Lappland, wo eine Frau ihren unter mysteriösen Umständen ver­schwunde­nen Mann sucht; auch in diesem Buch geht es um Verlust und die Allgegenwart des Nichtgesagten. In Revanche (2019) versucht ein junger Mann, Familiengeheimnissen auf die Spur zu kommen, um Klarheit über seine eigene Geschichte zu bekommen. Sämtliche R-Romane werden von Joachim Unseld verlegt. Der Band Wunderbare Weihnacht mit Gedichten und Kurzgeschichten erscheint 2016 im Dillmann Verlag.

Zahlreiche Erzählungen und Gedichte werden in Anthologien aufgenommen. Zudem schreibt Claire Beyer Liedtexte, Theaterstücke und Libretti, u.a. das 1985 im Glasperlenspiel in Asperg sowie in Stuttgart mehrfach aufgeführte Musical Camille Claudel. Die Königin der Steine über die französische Bildhauerin und Malerin. Daneben ist sie als Autorin von Essays und Kolumnen für Zeitungen, Magazine und den Hörfunk tätig. Sie ist 1980 Gastautorin des Goethe-Instituts bei den Ludwigsburger Begegnungen und wirkt 1995 am internationalen Kunst-Projekt Prämissen sowie am Projekt Künstler für den Frieden mit.

Die Autorin liest regelmäßig in der Öffentlichkeit, u.a. in Literaturhäusern, bei den Stuttgarter Buchwochen, dem Stuttgarter Literatur-Marathon, landesweit in Schulen (Boedecker-Kreis), Kultur­zentren, Bibliotheken und Buchhandlungen. Im April 2020 ist Claire Beyer auf Einladung des Litera­tur­wissen­schaftlers Kay Wolfinger erstmals zu einer Autorinnenlesung ins Allgäu, ihre ehe­malige Heimat, eingeladen; wegen der coronabedingten Einschränkungen kann die Veran­staltung im Literaturhaus Allgäu, Immenstadt, aber nicht stattfinden.

Claire Beyer wird mehrfach für ihre Literatur ausgezeichnet. Sie erhält 1999 den Lyrikpreis Baden-Württemberg, Siegerin des Kreisentscheids Ludwigsburg, 2001 das Große Landesliteraturstipendium Baden-Württemberg und 2003 den 1. Journalistenpreis der Robert-Bosch-Stiftung.

Claire Beyer ist Mitglied im Internationalen P.E.N. und im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Seit 1990 lebt und arbeitet sie im denkmalgeschützten Wimpelinhof in Markgröningen bei Ludwigsburg.

Verfasst von: Digitaler Literaturatlas von Bayerisch Schwaben DigiLABS / Rosmarie Mair, M.A.

Sekundärliteratur:

Pross, Steffen (o.J.): Geheimnis und Gewalt. Anmerkungen zur Prosa Claire Beyers. Vortrag anlässlich des Literarischen Kolloquiums Stadt Ludwigsburg. URL: https://www.claire-beyer.de/journalistische-arbeiten/, (30.12.2021).

Weixler, Antonius (2021): „Die tragische Mühsal einer Region.“ Die Semantisierung des Allgäus als Schauplatz von Dorfgeschichten in Claire Beyers Rauken. In: Kay Wolfinger (Hg.): Die literarische Provinz, S. 73-94.


Externe Links:

Zur Homepage der Autorin

Literatur von Claire Beyer im BVB

Claire Beyer in der Wikipedia