Info
Geb.: 11.10.1877 in Rathau (Lkr. Brieg, Prov. Schlesien)
Gest.: 8. 6.1959 in Cham
Ewald Gerhard Seeliger, um 1919
Namensvarianten: Ewald Gerhard Hartmann Seeliger; Ewger Seeliger, Ewger Seeliger Menschheit, Marquardt van Vryndt (Pseud.)

Ewald Gerhard Seeliger

Ewald Gerhard (Hartmann) Seeliger wird 1877 in Rathau geboren und wächst als zweites von vier Kindern mit Mutter Paula Seeliger, geb. Schmidt, und Vater Gustav Seeliger auf. Letzterer, von Beruf Bienenzüchter und Lehrer, gilt als gebildeter Mann, der Seeliger mit seinen liberalen Ansichten und vielseitigen Interessen bis zu seinem Tod stark beeinflusst. Auf ihn sind u.a. auch Seeligers spätere literarische Bestrebungen zurückzuführen.

Seinem Vater ähnlich fungiert Seeliger als junger Mann zunächst als Lehrer: Ab 1897 lehrt er an der Volksschule in Schlesien, ab 1899 an der Deutschen Schule in Genua. Im Jahr 1900 zieht er nach Hamburg und beginnt erstmals mit dem Schreiben. 1901 erscheint sein erstes Werk An der Riviera, Fresken und Arabesken. Noch im selben Jahr heiratet er Rosalie Sara Kohn, Tochter des jüdischen Kaufmanns Berkowitz Kohn, und wird mit der Geburt seines Sohnes Heinz Wolfram im Sommer 1902 zum ersten Mal Vater. In den folgenden Jahren arbeitet Seeliger an mehreren Prosastücken, wie Aus der Schule geplaudert (1902), Der Stürmer, eine Geschichte aus Schlesien (1904), Nordnordwest (1905) oder dem Balladenbuch Hamburg (1905). Für Letzteres wird ihm noch im selben Jahr vom Senat der Hansestadt die Goldmedaille Ritzebüttel Portugaleser überreicht. Zudem bringt ihm seine Ballade Der Gonger den 1. Preis eines Preisausschreibens der Scherlschen Woche ein. Von diesen Erfolgen ermutigt gibt Seeliger 1906 seine Stelle als Lehrer endgültig auf und wirkt fortan als freier Schriftsteller. Im Jahr 1913 veröffentlicht er seinen bis heute erfolgreichsten Roman Peter Voss, der Millionendieb. Das Werk wird nicht nur zum Bestseller, sondern insgesamt auch viermal – 1932, 1946, 1958 und 1977 – verfilmt.

Nach Kriegsausbruch 1914 beteiligt Seeliger sich ab 1915 als Unteroffizier einer Marinedivision und absolviert seinen Dienst an der Seeflugstation Norderney, der Minenabteilung Cuxhaven, der Seeflugstation List auf Sylt sowie dem Marinetransportbüro Wilhelmshaven.

Anfang des Jahres 1920 ziehen Seeliger und seine Frau von Hamburg nach Oberbayern und bewohnen dort das Sommerhaus Avalun am Walchensee. Hier arbeitet Seeliger von Oktober bis Dezember 1921 an seinem neuen Werk Das Handbuch des Schwindels. Nach dessen Fertigstellung wird es 1922 unter dem Pseudonym Ewger Seeliger Menschheit veröffentlicht und sorgt mit seinem kritisch-satirischen Inhalt für großes Aufsehen. Wie Dr. Schmidtmann, Anstaltsarzt der Nervenheilanstalt München-Haar beschreibt, macht Seeliger „sich in diesem Buche so ziemlich über alle bestehenden Einrichtungen, über alle, die anders wie er, für ihn also falsch, denken, vor allem über Staat, Kirche, Gesellschaft usw. lustig und verkündet seine Ideen der freien Menschheit, wobei seine eigene Persönlichkeit außerordentlich in den Vordergrund tritt“. Die Staatsanwaltschaft am Landgericht München I beschlagnahmt das Buch am 15. Juli 1922 und beauftragt Dr. Schmidtmann ein Gutachten über den mentalen Zustand Seeligers zu verfassen. Da dieser Seeliger als geisteskrank befindet, muss der Schriftsteller sich in der Psychiatrischen Klinik in Haar einer sechswöchigen Beobachtung unterziehen. In den 1920er-Jahren folgen noch weitere Werke Seeligers, wie Die Entjungferung der Welt (1923), Die vierzehn kurbrandenburgischen Nothelfer (1927), Der Streit um die Rote Rose (1928) oder Zwei richtige Menschen (1931).

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten endet die berufliche Karriere für Seeliger, der für seine satirischen Inhalte und der Abwertung des Nationalsozialismus kurzweilig in Schutzhaft genommen wird. Eine weitere Inhaftierung fürchtend, suchen er und seine Frau 1933/34 in der Schweiz Zuflucht. Während seines Exilaufenthalts verfasst er einen historischen Roman u.d.T. Das Geheimnis des Roterodamus – Der Sohn der Versöhnung. Auf 692 Seiten schildert Seeliger einen Lebensabschnitt des großen Humanisten Desiderius Erasmus von Rotterdam, der – von einigen verehrt und von anderen verachtet – eines Tages von der Geburt eines Jungen, der aus der Liebschaft zwischen ihm und seiner ehemaligen Liebe Sophia entstanden ist, erfährt. Er möchte seinen Sohn kennenlernen und begibt sich folglich auf die Suche nach ihm. Diese persönliche Vater-Sohn-Geschichte ist eingebettet in das von Unruhen und Umbrüchen geprägte frühe 16. Jahrhundert: Die Pest wütet in der Stadt, Millionen Menschen sterben und Rom wird von kaiserlichen Horden erobert und geplündert. Geschildert werden hier u.a. die Machtspiele und Intrigen innerhalb des kaiserlichen Hofes sowie der von sittenlosen Päpsten herbeigeführte drohende Zerfall der Kirche. Das Werk bleibt lange Zeit unveröffentlicht und wird schließlich 2021, nach fast 90 Jahren, erstmals von L. Alexander Metz herausgegeben.

1935 siedelt der Schriftsteller erneut nach Hamburg über und führt dort eine zurückgezogene Existenz fernab des Literaturbetriebs. Dies ist u.a. auch seinem 1936 – vermutlich im Zuge seiner Ehe mit einer Jüdin – erfolgten Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer geschuldet: Es ist Seeliger fortan untersagt, neue Werke zu veröffentlichen.

Sechs Jahre später, 1940, zwingt ein alliierter Bombenangriff auf Hamburg das Ehepaar zu ihrem Sohn und dessen Familie nach Cham in die Oberpfalz zu ziehen. Hier leben beide für einige Zeit bei Verwandten ihrer Schwiegertochter. Nach dem Tod seiner Frau bleibt Ewald Gerhard Seeliger weiterhin in Cham sesshaft, bezieht jedoch ein Haus in der Schuegrafstraße, in dem er bis zu seinem Tod alleine lebt.

Ewald Gerhard Seeliger ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten; allein die Neuveröffentlichung alter Werke wie des Handbuchs des Schwindels in den 1980er-Jahren oder die jüngste Herausgabe des bisher noch unveröffentlichten historischen Romans Das Geheimnis des Roterodamus – Der Sohn der Versöhnung helfen dabei, die Erinnerung an den einstigen Erfolgsautor wieder aufleben zu lassen.

Verfasst von: Corinne Theis / Bayerische Staatsbibliothek

Sekundärliteratur:

http://www.ewald-gerhard-seeliger.de/index.php/ueber-seeliger

Metz, Alexander L (2011): Nachwort. In: Seeliger, Ewger: Das Paradies der Verbrecher. Roman. Bearb. und hg. v. L. Alexander Metz. München, S. 385-398.


Externe Links:

Literatur von Ewald Gerhard Seeliger im BVB

Literatur über Ewald Gerhard Seeliger im BVB

Ewald Gerhard Seeliger in der Deutschen Biographie

Interview mit dem Seeliger-Kenner Max Heigl

Ewald Gerhard Seeliger in der Wikipedia