Walther von der Vogelweide
Nach eigener Angabe lernt Walther von der Vogelweide zuerst in Österreich, am Hof des Babenberger Herzogs Friedrich I. das „singen unde sagen“ (32,14); man nimmt an, dass er 1198 nach dessen Tod den Wiener Hof verlassen muss, um das Leben eines fahrenden Sängers zu führen. Im Spruch 19,29 beklagt er den Tod Friedrichs und äußert zugleich seine Freude über die Aufnahme am Hof König Philipps von Schwaben. Seitdem tritt er als politischer Dichter hervor, der in neuartiger, spannungsvoller Verbindung zur höfischen Kunst des Minnesangs die Sangspruchdichtung in sein Repertoire aufnimmt.
Über Walthers Herkunft lässt sich nicht viel sagen, außer dass viele ländliche Höfe nach dem Ort Vogelweide in verschiedenen Gegenden bezeugt sind (der Vogelweidhof im Südtiroler Grödnertal; Österreich, vielleicht Wien; Franken, vielleicht Würzburg, Feuchtwangen; Frankfurt am Main?). Eine adlige Familie von der Vogelweide ist trotz Walthers Titulierung als „Herrn“ und des Wappens im Autorenbild der Manessischen Liederhandschrift zu seiner Zeit jedenfalls nicht nachgewiesen. Feststeht dagegen sein Leben als fahrender Sänger: Im Rechnungsbuch des Passauer Bischofs Wolfger von Erla vom 12. November 1203 findet sich der Vermerk, dass „dem cantor Walther von der Vogelweide fünf Schillinge für einen Pelzrock“ überreicht wurden. Die geleistete hohe Zahlung weist wohl eher auf die geschätzte Kunstleistung als auf gelehrtes Dichterum und ein festes Musikeramt in Passau hin; gleichwohl lassen theologische Kenntnisse Walthers, antike Namen sowie formale und thematische Beziehungen zur Vagantendichtung vermuten, dass Walther von der Vogelweide lateinisch gebildet ist.
Sein Weg führt ihn zu verschiedenen Herrscherhäusern: zwischen 1198 und 1201 an den Hof des Staufers Philipp von Schwaben, 1212/13 an den des Welfen Otto IV., danach in die Umgebung des Staufers Friedrich II. Ebenso von Bedeutung sind die Fürsten, mit denen er in Verbindung steht: der Landgraf Hermann I. von Thüringen, Markgraf Dietrich von Meißen, Herzog Bernhard II. von Kärnten, Erzbischof Engelbert von Köln, Bischof Wolfger von Passau, der Graf von Katzenelnbogen, wahrscheinlich auch Herzog Ludwig I. von Bayern. Vergeblich bemüht sich Walther um eine Rückkehr nach Wien, wie zahlreiche Sprüche auf Herzog Leopold VI. von Österreich belegen.
Dafür wird Walther von der Vogelweide um 1220 ein Lehen durch Friedrich II. zuteil. Im Spruch „Ich hân mîn lêhen, al di werlt, ich hân mîn lêhen“ (28,31), gedichtet vor der Kaiserkrönung Friedrichs am 22. November 122o, dankt Walther dem König, nicht mehr auf die Gnade geiziger Herren angewiesen zu sein. Als Ort des Lehens wird gemeinhin Würzburg vermutet, obwohl es sich auch um ein Geldgeschenk handeln könnte (vgl. Spruch 27,7). In Würzburg, wo im 14. Jahrhundert ein Vogelweidhof bezeugt ist, ist Walther nach dem Bericht seines Verehrers, des Protonotars Michael de Leone (gest. 1355), auch begraben.
Sein Werk, das in über 30 Textzeugen, vor allem in den klassischen Liederhandschriften des Südwestens um 1300 überliefert ist (Kleine Heidelberger A, Weingartner B, Große Heidelberger Liederhandschrift C – mit knapp 450 Strophen und dem Leich umfangreichste Walther-Sammlung!), umfasst über 500 Strophen in mehr als 110 Tönen (Melodien). Nach Gattungen zählt man ca. 90 Lieder, 140-150 Sprüche und einen Leich.
Bei den Liedern wird immer noch auf Carl von Kraus' stilistisch-chronologische Einordnung zurückgegriffen, wiewohl wichtige Fragen offen bleiben und sich eine Einteilung nach thematischen Gruppen anbietet. Man unterscheidet: 1. Frühe Lieder, 2. Die Lieder der Reinmar-Fehde, 3. Mädchenlieder oder Lieder der niederen Minne, 4. Lieder der neuen hohen Minne, 5. Alterslieder. Viele Lieder sind von der Auseinandersetzung mit dem höfischen Minnebegriff geprägt. Walthers Auffassung, wonach die Liebe durch zwei Herzen gehen müsse, ist dabei Programm zur Erweiterung des Rollenspiels in der Minnelyrik. In den Frau-Welt-Liedern nimmt Walther feierlich Abschied von den höfischen Wertvorstellungen, um sich künftig nur noch um sein Seelenheil zu kümmern.
Bei den Sprüchen hat Walther den Strophenbau nach Vorbild der Minnelieder umgestaltet, ihnen so ihre hochhöfische Form gegeben. Man unterscheidet etwa 30 Spruchtöne, wobei einige nur einmal von Walther benutzt werden, die meisten jedoch mehrmals. Die Sprüche sind grundsätzlich einstrophig. Thematisch steht das „Reich“ im Zentrum von Walthers politischer Spruchdichtung und wird als religiös fundiertes Herrschaftsgebilde in einer von Gott gelenkten Weltordnung dargestellt. Die Ausgestaltung der Ich-Rolle und die Bildhaftigkeit sind dabei von besonderer Bedeutung: Der Sänger tritt als Dichter, Naturkundiger, Lehrer der Jugend, Ankläger, Ratgeber des Königs, Erblasser und Engel auf, im Wissen um die Macht des Wortes; die Umsetzung des Abstrakt-Gedanklichen in konkrete Anschauung erfolgt zumeist durch Personifikationen, wie Frau Welt, Frau Mâze, Frau Bohne, Herr Stock, Herr Mai, Unfriede und Unrecht treten als Wegelagerer, der Herzog als blühende Heide, der Teufel als Kneipwirt auf. Auf Witz und Effekt ausgerichtet, will Walthers politische Dichtung beeinflussen und Stimmung machen.
Auf die Dichter des Minnesangs im 13. Jahrhundert und noch mehr die Sangspruchdichtung, auf Gottfried von Straßburg, der Walther als den größten lyrischen Dichter seiner Zeit feiert, bis zu den späteren Meistersingern, die ihn unter ihre „Zwölf Alten Meister“ rechnen, hat Walther von der Vogelweide maßgeblich gewirkt. Von Hugo von Trimberg stammt das bekannte Wort: „Herr Walther von der Vogelweide, wer den vergäße, der täte mir leide“ (1187f.).
Sekundärliteratur:
Bumke, Joachim (20044): Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 124-133.
Wesseling, Klaus-Gunther: Walther von der Vogelweide. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. 13 (1998), Sp. 241-308, http://www.bautz.de/bbkl/w/walther_v_d_v.shtml, (09.09.2012).
Externe Links:
Literatur von Walther von der Vogelweide im BVB
Literatur über Walther von der Vogelweide im BVB
Artikel Minnesang im Historischen Lexikon Bayerns
Walther von der Vogelweide in der Bibliotheca Augustana
Nach eigener Angabe lernt Walther von der Vogelweide zuerst in Österreich, am Hof des Babenberger Herzogs Friedrich I. das „singen unde sagen“ (32,14); man nimmt an, dass er 1198 nach dessen Tod den Wiener Hof verlassen muss, um das Leben eines fahrenden Sängers zu führen. Im Spruch 19,29 beklagt er den Tod Friedrichs und äußert zugleich seine Freude über die Aufnahme am Hof König Philipps von Schwaben. Seitdem tritt er als politischer Dichter hervor, der in neuartiger, spannungsvoller Verbindung zur höfischen Kunst des Minnesangs die Sangspruchdichtung in sein Repertoire aufnimmt.
Über Walthers Herkunft lässt sich nicht viel sagen, außer dass viele ländliche Höfe nach dem Ort Vogelweide in verschiedenen Gegenden bezeugt sind (der Vogelweidhof im Südtiroler Grödnertal; Österreich, vielleicht Wien; Franken, vielleicht Würzburg, Feuchtwangen; Frankfurt am Main?). Eine adlige Familie von der Vogelweide ist trotz Walthers Titulierung als „Herrn“ und des Wappens im Autorenbild der Manessischen Liederhandschrift zu seiner Zeit jedenfalls nicht nachgewiesen. Feststeht dagegen sein Leben als fahrender Sänger: Im Rechnungsbuch des Passauer Bischofs Wolfger von Erla vom 12. November 1203 findet sich der Vermerk, dass „dem cantor Walther von der Vogelweide fünf Schillinge für einen Pelzrock“ überreicht wurden. Die geleistete hohe Zahlung weist wohl eher auf die geschätzte Kunstleistung als auf gelehrtes Dichterum und ein festes Musikeramt in Passau hin; gleichwohl lassen theologische Kenntnisse Walthers, antike Namen sowie formale und thematische Beziehungen zur Vagantendichtung vermuten, dass Walther von der Vogelweide lateinisch gebildet ist.
Sein Weg führt ihn zu verschiedenen Herrscherhäusern: zwischen 1198 und 1201 an den Hof des Staufers Philipp von Schwaben, 1212/13 an den des Welfen Otto IV., danach in die Umgebung des Staufers Friedrich II. Ebenso von Bedeutung sind die Fürsten, mit denen er in Verbindung steht: der Landgraf Hermann I. von Thüringen, Markgraf Dietrich von Meißen, Herzog Bernhard II. von Kärnten, Erzbischof Engelbert von Köln, Bischof Wolfger von Passau, der Graf von Katzenelnbogen, wahrscheinlich auch Herzog Ludwig I. von Bayern. Vergeblich bemüht sich Walther um eine Rückkehr nach Wien, wie zahlreiche Sprüche auf Herzog Leopold VI. von Österreich belegen.
Dafür wird Walther von der Vogelweide um 1220 ein Lehen durch Friedrich II. zuteil. Im Spruch „Ich hân mîn lêhen, al di werlt, ich hân mîn lêhen“ (28,31), gedichtet vor der Kaiserkrönung Friedrichs am 22. November 122o, dankt Walther dem König, nicht mehr auf die Gnade geiziger Herren angewiesen zu sein. Als Ort des Lehens wird gemeinhin Würzburg vermutet, obwohl es sich auch um ein Geldgeschenk handeln könnte (vgl. Spruch 27,7). In Würzburg, wo im 14. Jahrhundert ein Vogelweidhof bezeugt ist, ist Walther nach dem Bericht seines Verehrers, des Protonotars Michael de Leone (gest. 1355), auch begraben.
Sein Werk, das in über 30 Textzeugen, vor allem in den klassischen Liederhandschriften des Südwestens um 1300 überliefert ist (Kleine Heidelberger A, Weingartner B, Große Heidelberger Liederhandschrift C – mit knapp 450 Strophen und dem Leich umfangreichste Walther-Sammlung!), umfasst über 500 Strophen in mehr als 110 Tönen (Melodien). Nach Gattungen zählt man ca. 90 Lieder, 140-150 Sprüche und einen Leich.
Bei den Liedern wird immer noch auf Carl von Kraus' stilistisch-chronologische Einordnung zurückgegriffen, wiewohl wichtige Fragen offen bleiben und sich eine Einteilung nach thematischen Gruppen anbietet. Man unterscheidet: 1. Frühe Lieder, 2. Die Lieder der Reinmar-Fehde, 3. Mädchenlieder oder Lieder der niederen Minne, 4. Lieder der neuen hohen Minne, 5. Alterslieder. Viele Lieder sind von der Auseinandersetzung mit dem höfischen Minnebegriff geprägt. Walthers Auffassung, wonach die Liebe durch zwei Herzen gehen müsse, ist dabei Programm zur Erweiterung des Rollenspiels in der Minnelyrik. In den Frau-Welt-Liedern nimmt Walther feierlich Abschied von den höfischen Wertvorstellungen, um sich künftig nur noch um sein Seelenheil zu kümmern.
Bei den Sprüchen hat Walther den Strophenbau nach Vorbild der Minnelieder umgestaltet, ihnen so ihre hochhöfische Form gegeben. Man unterscheidet etwa 30 Spruchtöne, wobei einige nur einmal von Walther benutzt werden, die meisten jedoch mehrmals. Die Sprüche sind grundsätzlich einstrophig. Thematisch steht das „Reich“ im Zentrum von Walthers politischer Spruchdichtung und wird als religiös fundiertes Herrschaftsgebilde in einer von Gott gelenkten Weltordnung dargestellt. Die Ausgestaltung der Ich-Rolle und die Bildhaftigkeit sind dabei von besonderer Bedeutung: Der Sänger tritt als Dichter, Naturkundiger, Lehrer der Jugend, Ankläger, Ratgeber des Königs, Erblasser und Engel auf, im Wissen um die Macht des Wortes; die Umsetzung des Abstrakt-Gedanklichen in konkrete Anschauung erfolgt zumeist durch Personifikationen, wie Frau Welt, Frau Mâze, Frau Bohne, Herr Stock, Herr Mai, Unfriede und Unrecht treten als Wegelagerer, der Herzog als blühende Heide, der Teufel als Kneipwirt auf. Auf Witz und Effekt ausgerichtet, will Walthers politische Dichtung beeinflussen und Stimmung machen.
Auf die Dichter des Minnesangs im 13. Jahrhundert und noch mehr die Sangspruchdichtung, auf Gottfried von Straßburg, der Walther als den größten lyrischen Dichter seiner Zeit feiert, bis zu den späteren Meistersingern, die ihn unter ihre „Zwölf Alten Meister“ rechnen, hat Walther von der Vogelweide maßgeblich gewirkt. Von Hugo von Trimberg stammt das bekannte Wort: „Herr Walther von der Vogelweide, wer den vergäße, der täte mir leide“ (1187f.).
Bumke, Joachim (20044): Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, S. 124-133.
Wesseling, Klaus-Gunther: Walther von der Vogelweide. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. 13 (1998), Sp. 241-308, http://www.bautz.de/bbkl/w/walther_v_d_v.shtml, (09.09.2012).