Johann Nepomuk v. Ringseis
Nach der Klosterschule bei den Zisterziensern in Walderbach und dem Gymnasium und Seminar in Amberg studiert der aus Schwarzhofen im Landkreis Schwandorf stammende Gastwirts- und Bürgermeistersohn ab 1805 in Landshut wie sein frühverstorbener Bruder Medizin. Um Johann Nepomuk Ringseis herum schart sich ein enger Kreis junger begabter Männer, die zunächst angetrieben vom skeptischen Geist der Aufklärung einen ungeheuren Drang nach Wahrheit verspüren und diesen nach und nach romantisch-poetisch aufladen: neben den Medizinern Sebastian Ringseis, Karl von Loe und Joseph Löw der Philologe Fr. Schafberger, die Juristen Karl Rottmanner, Josef Venino und Josef Teng, der Physiker Karl Amann sowie der spätere Schulmann Schiestl. Beeinflusst von den philosophisch-historischen Vorträgen Asts und Breyers, den Schriften Stolbergs, Baaders, Schuberts, Tiecks, Novalis' und der Schlegels schreiben sie Gedichte, knüpfen Beziehungen zu den Heidelberger Romantikern, begeistern sich für das deutsche Volkslied und Mittelalter und planen eine eigene Zeitschrift namens Jugendblätter; sie sind bayerisch-patriotisch gesinnt. Ende 1808 wird Johann Nepomuk Ringseis in das Haus des Rechtsgelehrten Karl von Savigny eingeführt, wo er einen neuen Romantikerkreis um Savigny, Schelling und die Geschwister Brentano kennenlernt und Freundschaft mit Johann Michael Sailer schließt. Bettina Brentano schildert Ringseis in Goethes Briefwechsel mit einem Kinde: „Nepomuk Ringseis, ein treuer Hausfreund, hat ein Gesicht wie aus Stahl gegossen, alte Ritterphysiognomie, kleiner, scharfer Mund, schwarzer Schnauzbart, Augen, aus denen die Funken fahren, in seiner Brust hämmert's wie in einer Schmiede, will vor Begeisterung zerspringen, und da er ein feuriger Geist ist, so möchte er den Jupiter aus der Rumpelkammer der alten Gottheiten vorkriegen, um ihn zu taufen und zu bekehren.“
Nach seiner Promotion 1812 begibt sich Johann Nepomuk auf Bildungsreise nach Wien, Berlin und Paris, bevor er am Frankreichfeldzug (1815) teilnimmt und sich als Arzt in München 1817 niederlässt. Hier wird er Vertrauter des bayerischen Kronprinzen Ludwig, den er als dessen Leibarzt auf dessen Italien-Reisen begleitet. Er übt großen Einfluss auf Ludwigs spätere Kultur- und Gesundheitspolitik aus, gewinnt ihn für eine Erneuerung von Staat und Politik, Wissenschaft und Kunst im Sinne der Romantik. Ringseis ist es zu verdanken, dass die Landesuniversität 1826 von Landshut nach München verlegt wird. Er selbst zählt als Medizinprofessor (1817) zu den Neuberufenen und hat maßgeblich Anteil an der personellen Ausstattung der Universität.
1818 zum Medizinalrat ernannt, wird Johann Nepomuk 1824 außerordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1842 ordentliches Mitglied) und 1826 Ordinarius der medizinischen Fakultät der Universität. 1834 erhält er den Verdienstorden der Bayerischen Krone und damit den Adelstitel. In der bayerischen Ständekammer ist er ab 1837 als Abgeordneter politisch tätig. Elf Jahre später wird er Mitbegründer des Vereins für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit.
Johann Nepomuk von Ringseis schreibt Artikel für Joseph und Guido Görres' ultramontane Publikationsorgane Eos und Historisch-Politische Blätter, die ihn als streitbaren Erzkonservativen ausweisen. Seine Reden als Hochschullehrer, vor allem seine Rektoratsreden schlagen hohe Wellen und bringen ihm nicht nur Beifall ein, zumal sich Ringseis hier gegen den Republikanismus, den flachen Zeitgeist und die verderbliche Areligiosität bzw. Aufklärung wendet (Über den revolutionären Geist der deutschen Universitäten, 1833; Über die Nothwendigkeit der Autorität in den höchsten Gebieten der Wissenschaft, 1855). Noch sein medizinisches Hauptwerk System der Medizin (1841) ist von der Anschauung geprägt, dass die derzeit herrschende Anarchie in der medizinischen Praxis und Theorie, die „logisch oder mathematisch demonstrative“ Methode, „die Deutung, das Verständniß des sinnlich, äußerlich, so genau Beobachteten“ vermissen lässt. Als Krankheitsursache sieht er den Sündenfall des Menschen: Als Folge der Sünde sei die Krankheit dadurch sicherer zu heilen, „daß sich der Kranke und Arzt vor dem Heilversuche entsündigen lassen.“ Schellings Naturphilosophie und Leibniz' Ableitung körperlichen Übels aus dem sittlichen Verfall stehen bei Ringseis Pate.
Nach der Abdankung König Ludwigs I. 1848 verliert Johann Nepomuk von Ringseis seine staatlichen Ämter (1852). Seine Tochter Emilie hat seine Erinnerungen in vier Bänden postum herausgegeben. Sie sind kulturgeschichtliche Quelle, aber auch Zeugnis einer typischen Oberpfälzer Jugend um 1800 „in einer Landschaft der Eisenhämmer, Glasschleifen und Fischweiher, in festen Formen bodenständiger Frömmigkeit und überlieferten Brauchtums, voller Begegnungen mit böhmischen Hopfenhändlern, Bergleuten aus dem Bayerischen Wald, mit der oberpfälzischen Sagenwelt und Geschichtsüberlieferung. Die Eindrücke der Schulzeit im Kloster Walderbach mit so reichen naturkundlichen und musikalischen Anregungen sind da nicht weniger gegenwärtig als die Erinnerungen an die Feier des Fronleichnamstages im heimatlichen Schwarzhofen.“ (Eberhard Dünninger)
Sekundärliteratur:
http://www.oberpfaelzerkulturbund.de/cms/pages/kultur-der-oberpfalz/dbeintrag_details.php?id=674, (14.07.2015).
Hummel, A. (2010): Ringseis, Johann Nepomuk von. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston, http://www.degruyter.com/view/VDBO/vdbo.killy.5429, (14.07.2015).
Moisy, Sigrid von (Hg.) (1984): Von der Aufklärung zur Romantik. Geistige Strömungen in München [Ausstellung München 26.6.-24.8.1984] (Ausstellungskataloge / Bayerische Staatsbibliothek, 29). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 156f. u.ö.
Wormer, Eberhard J.: Ringseis, Johann Nepomuk von. In: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 636f., http://www.deutsche-biographie.de/ppn11860113X.html, (14.07.2015).
Externe Links:
Literatur von Johann Nepomuk von Ringseis im BVB
Nach der Klosterschule bei den Zisterziensern in Walderbach und dem Gymnasium und Seminar in Amberg studiert der aus Schwarzhofen im Landkreis Schwandorf stammende Gastwirts- und Bürgermeistersohn ab 1805 in Landshut wie sein frühverstorbener Bruder Medizin. Um Johann Nepomuk Ringseis herum schart sich ein enger Kreis junger begabter Männer, die zunächst angetrieben vom skeptischen Geist der Aufklärung einen ungeheuren Drang nach Wahrheit verspüren und diesen nach und nach romantisch-poetisch aufladen: neben den Medizinern Sebastian Ringseis, Karl von Loe und Joseph Löw der Philologe Fr. Schafberger, die Juristen Karl Rottmanner, Josef Venino und Josef Teng, der Physiker Karl Amann sowie der spätere Schulmann Schiestl. Beeinflusst von den philosophisch-historischen Vorträgen Asts und Breyers, den Schriften Stolbergs, Baaders, Schuberts, Tiecks, Novalis' und der Schlegels schreiben sie Gedichte, knüpfen Beziehungen zu den Heidelberger Romantikern, begeistern sich für das deutsche Volkslied und Mittelalter und planen eine eigene Zeitschrift namens Jugendblätter; sie sind bayerisch-patriotisch gesinnt. Ende 1808 wird Johann Nepomuk Ringseis in das Haus des Rechtsgelehrten Karl von Savigny eingeführt, wo er einen neuen Romantikerkreis um Savigny, Schelling und die Geschwister Brentano kennenlernt und Freundschaft mit Johann Michael Sailer schließt. Bettina Brentano schildert Ringseis in Goethes Briefwechsel mit einem Kinde: „Nepomuk Ringseis, ein treuer Hausfreund, hat ein Gesicht wie aus Stahl gegossen, alte Ritterphysiognomie, kleiner, scharfer Mund, schwarzer Schnauzbart, Augen, aus denen die Funken fahren, in seiner Brust hämmert's wie in einer Schmiede, will vor Begeisterung zerspringen, und da er ein feuriger Geist ist, so möchte er den Jupiter aus der Rumpelkammer der alten Gottheiten vorkriegen, um ihn zu taufen und zu bekehren.“
Nach seiner Promotion 1812 begibt sich Johann Nepomuk auf Bildungsreise nach Wien, Berlin und Paris, bevor er am Frankreichfeldzug (1815) teilnimmt und sich als Arzt in München 1817 niederlässt. Hier wird er Vertrauter des bayerischen Kronprinzen Ludwig, den er als dessen Leibarzt auf dessen Italien-Reisen begleitet. Er übt großen Einfluss auf Ludwigs spätere Kultur- und Gesundheitspolitik aus, gewinnt ihn für eine Erneuerung von Staat und Politik, Wissenschaft und Kunst im Sinne der Romantik. Ringseis ist es zu verdanken, dass die Landesuniversität 1826 von Landshut nach München verlegt wird. Er selbst zählt als Medizinprofessor (1817) zu den Neuberufenen und hat maßgeblich Anteil an der personellen Ausstattung der Universität.
1818 zum Medizinalrat ernannt, wird Johann Nepomuk 1824 außerordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1842 ordentliches Mitglied) und 1826 Ordinarius der medizinischen Fakultät der Universität. 1834 erhält er den Verdienstorden der Bayerischen Krone und damit den Adelstitel. In der bayerischen Ständekammer ist er ab 1837 als Abgeordneter politisch tätig. Elf Jahre später wird er Mitbegründer des Vereins für konstitutionelle Monarchie und religiöse Freiheit.
Johann Nepomuk von Ringseis schreibt Artikel für Joseph und Guido Görres' ultramontane Publikationsorgane Eos und Historisch-Politische Blätter, die ihn als streitbaren Erzkonservativen ausweisen. Seine Reden als Hochschullehrer, vor allem seine Rektoratsreden schlagen hohe Wellen und bringen ihm nicht nur Beifall ein, zumal sich Ringseis hier gegen den Republikanismus, den flachen Zeitgeist und die verderbliche Areligiosität bzw. Aufklärung wendet (Über den revolutionären Geist der deutschen Universitäten, 1833; Über die Nothwendigkeit der Autorität in den höchsten Gebieten der Wissenschaft, 1855). Noch sein medizinisches Hauptwerk System der Medizin (1841) ist von der Anschauung geprägt, dass die derzeit herrschende Anarchie in der medizinischen Praxis und Theorie, die „logisch oder mathematisch demonstrative“ Methode, „die Deutung, das Verständniß des sinnlich, äußerlich, so genau Beobachteten“ vermissen lässt. Als Krankheitsursache sieht er den Sündenfall des Menschen: Als Folge der Sünde sei die Krankheit dadurch sicherer zu heilen, „daß sich der Kranke und Arzt vor dem Heilversuche entsündigen lassen.“ Schellings Naturphilosophie und Leibniz' Ableitung körperlichen Übels aus dem sittlichen Verfall stehen bei Ringseis Pate.
Nach der Abdankung König Ludwigs I. 1848 verliert Johann Nepomuk von Ringseis seine staatlichen Ämter (1852). Seine Tochter Emilie hat seine Erinnerungen in vier Bänden postum herausgegeben. Sie sind kulturgeschichtliche Quelle, aber auch Zeugnis einer typischen Oberpfälzer Jugend um 1800 „in einer Landschaft der Eisenhämmer, Glasschleifen und Fischweiher, in festen Formen bodenständiger Frömmigkeit und überlieferten Brauchtums, voller Begegnungen mit böhmischen Hopfenhändlern, Bergleuten aus dem Bayerischen Wald, mit der oberpfälzischen Sagenwelt und Geschichtsüberlieferung. Die Eindrücke der Schulzeit im Kloster Walderbach mit so reichen naturkundlichen und musikalischen Anregungen sind da nicht weniger gegenwärtig als die Erinnerungen an die Feier des Fronleichnamstages im heimatlichen Schwarzhofen.“ (Eberhard Dünninger)
http://www.oberpfaelzerkulturbund.de/cms/pages/kultur-der-oberpfalz/dbeintrag_details.php?id=674, (14.07.2015).
Hummel, A. (2010): Ringseis, Johann Nepomuk von. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin und Boston, http://www.degruyter.com/view/VDBO/vdbo.killy.5429, (14.07.2015).
Moisy, Sigrid von (Hg.) (1984): Von der Aufklärung zur Romantik. Geistige Strömungen in München [Ausstellung München 26.6.-24.8.1984] (Ausstellungskataloge / Bayerische Staatsbibliothek, 29). Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, S. 156f. u.ö.
Wormer, Eberhard J.: Ringseis, Johann Nepomuk von. In: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 636f., http://www.deutsche-biographie.de/ppn11860113X.html, (14.07.2015).