Info
Geb.: 18. 5.1871 in Husum
Gest.: 26.7.1918 in Locarno
Franziska Reventlow (Archiv Monacensia)
Namensvarianten: Fanny Liane Wilhelmine Sophie Auguste Adrienne Gräfin zu Reventlow

Franziska zu Reventlow

Franziska (Fanny) zu Reventlow wird 1871 als Tochter des Landrats Ludwig Graf zu Reventlow und seiner Frau Emilie Gräfin zu Reventlow, geb. Gräfin zu Rantzau, im Schloss vor Husum geboren. 1886 wird sie Schülerin des „Freiadeligen Magdalenenstifts“ zu Altenburg und nach nur einem Jahr von der Schule verwiesen. Die Familie zieht 1889 nach Lübeck. Franziska zu Reventlow wird heimlich Mitglied im Lübecker Ibsenclub und tritt in das Lübecker Privat-Lehrerinnen-Seminar ein. Als die Eltern ihren verbotenen Briefwechsel mit Emanuel Fehling entdecken, wird sie 1892 im Pfarrhaus von Adelby unter Kuratel gestellt. 1893 flieht sie aus Adelby und geht nach München, wo sie die private Malschule von Anton Ažbe besucht. Im selben Jahr wird ihre Prosaskizze Die Uniform in den Husumer Nachrichten veröffentlicht. 1896 erscheinen erste Publikation im Simplicissimus: Vater, Wahnsinn und die Satire Das jüngste Gericht. 1900 beginnt sie mit der Arbeit an ihrem autobiographischen Roman Ellen Olestjerne und schließt durch Vermittlung von Ludwig Klages Bekanntschaft mit dem Kreis der Kosmiker um Alfred Schuler, Karl Wolfskehl und Ludwig Derleth sowie dem Kreis um Stefan George. 1903 gründet sie mit Bohdan von Suchocki und Franz Hessel eine Wohngemeinschaft im Eckhaus Kaulbachstraße 63, die bis 1906 besteht.

1903 erscheint Ellen Olestjerne im Verlag Julian Marchlewski. Rainer Maria Rilke schreibt in seiner Rezension, dass ihr Leben „eins von denen ist, die erzählt werden müssen, und ich glaube, dass man es vor allem jungen Menschen erzählen muss, die das Leben anfangen wollen und nicht wissen, wie“.

In der Münchner Bohème führt Franziska zu Reventlow ein Leben in Freiheit: ungebundene Liebe, erotische Abenteuer, eine freie Schriftstellerexistenz, Wohngemeinschaft, ein Kind ohne Vater. „Ich will überhaupt lauter Unmögliches aber lieber will ich das wollen, als mich im Möglichen schön zurechtlegen“ – diese Maxime ist Bestandteil ihrer unkonventionellen Selbstinszenierung, die ihr in den Schwabinger Künstlerkreisen große Bewunderung sichert. Man nennt sie heidnische Madonna, moderne Hetäre, Virtuosin des Lebens, grande amoureuse, Schleswig-Holsteinische Venus, tolle Gräfin, Königin der Bohème, Inkarnation der erotischen Rebellion – die Liste der Zuschreibungen ist lang.

1910, nach Jahren zunehmender materieller Not, folgt Franziska zu Reventlow dem Rat Erich Mühsams und geht nach Ascona, der südlichen Dependance der Schwabinger Bohème. Der Monte Verità – der Berg der Wahrheit – am Lago Maggiore ist eine Art Versuchslabor für alternative Lebensformen, das Künstler, Schriftsteller, Bohemiens, Frauenrechtlerinnen, Lebensreformer, Wissenschaftler, Naturheiler, Esoteriker aus ganz Europa anzieht, darunter: Max Weber, Hermann Hesse, W. J. Lenin, Leo Trotzki, C.G. Jung, Otto Groß, Erich Mühsam, Isadora Duncan, Mary Wigman.

Für Franziska zu Reventlow wird Ascona zum Schreibort. Dort entstehen ihre Romane, die alle im Münchner Albert Langen Verlag erscheinen: Von Paul zu Pedro. Amouresken (1912), der Schlüsselroman über die Schwabinger Bohème, Herrn Dames Aufzeichungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil (1913) und Der Geldkomplex (1916).

1917 publiziert sie ihre Sammlung skurriler Novellen unter dem Titel Das Logierhaus ‚Zur schwankenden Weltkugel‘. Alltägliche Begebenheiten werden darin so überzeichnet, dass beinahe unmerklich die Dimension des Phantastischen mit der Normalität kollidiert. Diese Novellen erinnern an E.T.A. Hoffmann, Gustav Meyrink, die Romantiker, die Surrealisten und nehmen gleichzeitig den magischen Realismus Gabriel Garcia Marquez', Julio Cortázars oder Haruki Murakamis vorweg.

Am 26. Juli 1918 stirbt Franziska zu Reventlow an den Folgen eines Fahrradunfalls in Locarno. Sie wird auf dem Friedhof Santa Maria in Selva in Locarno beigesetzt. Ihr letzter Roman, Der Selbstmordkomplex, wird 1925 aus dem Nachlass veröffentlicht.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

Sekundärliteratur:

Franziska Gräfin zu Reventlow: Von Paul zu Pedro. Amouresken. Mit einem Nachwort von Gunna Wendt (Reclam Taschenbuch Nr. 20643). Reclam, Ditzingen 2021.


Externe Links:

Literatur von Franziska zu Reventlow im BVB

Literatur über Franziska zu Reventlow im BVB

Franziska zu Reventlow in der BLO

Werke bei gutenberg.spiegel.de

Werke bei zeno.org

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