Info
Geb.: 11.10.1876 in Minden
Gest.: 1.11.1971 in Oberstdorf
Gertrud von le Fort beim Empfang der Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste am 7. Juni 1955 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)
Titel: Dr. theol. h.c.
Namensvarianten: Gertrud Auguste Lina Elsbeth Mathilde Petrea Freiin von le Fort (Taufname), Gerta von Stark, Petrea Vallerin

Gertrud von le Fort

Auguste Lina Elsbeth Mathilde Petrea Gertrud Freiin von le Fort wird am 11. Oktober 1876 in Minden (Westfalen) geboren als erstes Kind des preußischen königlichen Gendarmerie-Majors Lothar Friedrich Franz Peter Freiherr von le Fort (*1831) und seiner Ehefrau Elsbeth Karoline Therese (*1842), geb. von Wedel-Parlow. Bedingt durch die Versetzungen des Vaters erlebt sie ihre Kindheit und Jugend an verschiedenen Orten: Minden (1876-80), Berlin (1880-1884), Koblenz (1884-1889), – nach dem Ausscheiden des Vaters aus dem Militärdienst dann Hildesheim (1889-1896), Halberstadt (1896-1897) und schließlich Ludwigslust (ab 1897). Insbesondere während der Hildesheimer und der Ludwigsluster Jahre verbringt sie die Ferien auf den Gütern von Verwandten, so in Boek an der Müritz (Mecklenburg-Vorpommern), in Polßen (Uckermark), Parlow (Brandenburg) und Misdroy (Ostsee). Bis zu ihrem 14. Lebensjahr wird sie im Elternhaus privat unterrichtet, zunächst durch den Vater, in Koblenz durch eine Privatlehrerin. Erstmals in Hildesheim besucht sie eine öffentliche Schule. Mit dem Tod des Vaters im Jahr 1902, der für sie einen tiefgehenden Einschnitt in ihrem Leben darstellt, ändern sich verschiedentlich ihre Lebensumstände: Sie unternimmt nunmehr vermehrt Reisen und die Beschäftigung mit Literatur, rezeptiv als auch kreativ, nimmt zu.

Im Sommersemester 1908 immatrikuliert sich Gertrud von le Fort (bedingt durch das fehlende Abitur) als Gasthörerin an der Universität Heidelberg, wo sie mit Unterbrechungen bis zum Wintersemester 1912/13 insgesamt sieben Semester studiert. Schließlich wechselt sie an die Universitäten in Marburg (WS 1913/14) und Berlin (WS 1915/16). Philosophische, theologische, geschichtliche, kunst- und kulturgeschichtliche Lehrveranstaltungen stehen dabei im Vordergrund. Ihre wichtigsten Lehrer sind in Heidelberg Prof. Hans von Schubert und Prof. Ernst Troeltsch, dessen Denken und Zielsetzungen wohl den bedeutsamsten Anteil des Heidelberger geistigen Einflusses auf Gertrud von le Fort darstellen. Nach Berlin schließlich wechselt sie, um wiederum Vorlesungen bei Prof. Ernst Troeltsch zu hören, der seit 1915 einen Lehrstuhl für Philosophie in Berlin innehat und zu dem seit der Heidelberger Studienzeit eine Vertrauensbeziehung besteht. 1925, zwei Jahre nach dem Tod von Troeltsch, gibt sie nach eigenen Kollegmitschriften dessen Glaubenslehre heraus.

Die Heidelberger Studienzeit wird durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendet. Im Winter 1914/15 arbeitet Gertrud von le Fort als freiwillige Rotkreuzhelferin in Ludwigslust bei der Bahnhofsmission an Lazarettzügen. Schließlich zieht die Familie im April 1915 nach Boek (Müritz), denn das Majorat Boek (erbrechtlich Fideikommiss) war nach dem Tod der dortigen Verwandten inzwischen auf ihren Bruder Stefan übergegangen. Wenige Tage nach Kriegsende 1918 stirbt ihre Mutter an der Spanischen Grippe. Ihr Bruder Stefan, der sich von Boek aus am Kapp-Putsch beteiligt und zusammen mit seinem Vetter Peter von le Fort die benachbarte Stadt Warren beschießt, muss fliehen. Gertrud übernimmt für ihn die Verwaltung des gesamten Guts, bis dieses dann 1920 von der mecklenburgischen Landesregierung beschlagnahmt wird. Gertrud von le Fort wird damit heimatlos, eine Gegebenheit, die in ihrem Werk als grundlegende menschliche Befindlichkeit auch immer wieder Thema ist. Sie kommt zunächst bei ihrer Freundin Margarethe von Schubert in Heidelberg unter, dann bei Freunden in Tutzing und Feldafing. 1922 erwirbt sie zusammen mit ihrer Schwester Elisabeth das Anwesen „Konradshöhe“ in Baierbrunn (Isartal) im Lkr. München.

Hat sie bereits ab dem Jahr 1893 verschiedentlich Gedichte, später auch kurze Erzählungen veröffentlicht, teils auch unter dem Pseudonym Gerta von Stark und Petrea Vallerin, wird sie mit ihren Hymnen an die Kirche 1924 – für sie selbst völlig überraschend – geradezu schlagartig zur anerkannten Dichterin. Eine Vielzahl von Faktoren ist Ursache dafür, dass sie im Jahr 1926 zur Katholischen Kirche konvertiert. Ausschlaggebend sind zuletzt wohl ihre Romaufenthalte, die Begegnung mit den Benediktinern im Kloster Schäftlarn, die Freundschaft mit Theodor Haecker und dem Jesuitenpater Dr. Erich Przywara. Es entstehen weitere Hauptwerke wie beispielsweise: Das Schweißtuch der Veronika – Der Römische Brunnen (1928), Der Papst aus dem Ghetto (1930), Die Letzte am Schafott (1931), Hymnen an Deutschland (1932). Und sie etabliert sich damit in der europäischen christlichen Literaturszene mit Paul Claudel, Graham Greene, Sigrid Undset, Hans Carossa, Werner Bergengruen, Elisabeth Langgässer, Reinhold Schneider, Edzard Schaper und anderen. Carl Muth gewinnt sie für seine Monatszeitschrift Hochland. Ihr Werk wird Teil der europäischen religiösen Erneuerungsbewegung des „Renouveau catholique“.

Ab ca. 1932 unternimmt Gertrud von le Fort Lesereisen quer durch Deutschland, in die Schweiz, nach Frankreich. Zugleich erzwingen erhebliche gesundheitliche Probleme immer wieder Erholungsreisen, meist nach Südtirol. Ende des Jahres 1936 ist eine Kur in Arosa unabdingbar, von wo sie erst im Mai 1939 nach Deutschland zurückkommt. Dort beendet sie ihren dritten großen Roman: Die Magdeburgische Hochzeit (1938).

Gertrud von le Forts politische Grundeinstellung ist schon von ihrer Herkunft her konservativ. Ihr Bild von Deutschland ist dem mittelalterlichen Reichsgedanken verpflichtet. Sie denkt national (aber nie nationalsozialistisch), sie denkt europäisch, ist geschichtsbewusst, aber hinsichtlich der politischen Tagesereignisse in gewisser Weise auch unpolitisch. Ihre Bücher werden 1933 nicht verbrannt und sie kann während der Zeit des Nationalsozialismus publizieren. Dem „Reichsverband deutscher Schriftsteller“ gehört sie nicht an, der verpflichtenden Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer aber kann sie sich nicht entziehen. Während des sog. Dritten Reichs zählt sie zu den weitverbreitetsten, aber letztlich unerwünschten Autoren. So wird ab 1938 ihr Name in den NS-Literaturgeschichten totgeschwiegen. Dass einzelne ihrer Texte durch die Nationalsozialisten missbraucht werden, kann sie nicht verhindern. Hermann Hesse, der sie 1949 zusammen mit Martin Buber für den Literaturnobelpreis vorschlägt, erklärt, Gertrud von le Fort sei „innerhalb des Hitlerschen Deutschland wohl die wertvollste, begnadetste Vertreterin der intellektuellen und religiösen Widerstandsbewegung“ gewesen. Eingekleidet in historische Stoffe nimmt sie gegen politische und gesellschaftliche Gegebenheiten in der NS-Zeit Stellung.

Dass Gertrud von le Fort ab 1940 als dauernden Wohnsitz Oberstdorf wählt, beruht in erster Linie auf dem dortigen Klima. Sie lebt hier eher zurückgezogen und in bescheidenen Verhältnissen. Sie unternimmt Reisen, häufige und heftige Erkrankungen machen wiederholt Krankenhaus- und Kuraufenthalte erforderlich. Ende 1946 reist sie in die Schweiz, wo sie das Bürgerrecht besitzt, um dort aus ihren Werken zu lesen, um Vorträge zu halten zu Gunsten des Roten Kreuzes und durch den Krieg in Not geratener Kinder und Studenten. Eine Rückkehr nach Deutschland ist ihr jedoch erst im Sommer 1949 möglich, da ihr zunächst die Wiedereinreise nach Deutschland wegen ihres schweizerischen Bürgerrechts verwehrt wird. In diese 31 Jahre, die sie in Oberstdorf lebt, fällt nochmals ein intensives literarisches Schaffen, das in einem hinsichtlich Umfang und Qualität beachtlichen Alterswerk seinen Ausdruck findet. Mehrfach engagiert sie sich im gesellschaftlichen Bereich, so gegen geplante zerstörerische Eingriffe in die Natur und gegen die atomare Bewaffnung in Deutschland. Gertrud von le Fort ist neben ihrem eigenen literarischen Schaffen auch eingebunden in den „Literaturbetrieb“. Sie ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, ist dort auch Mitglied der Jury zur Vergabe des Georg-Büchner-Preises, sie ist außerdem Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Sie pflegt vielfache Kontakte, so beispielsweise zu Albrecht Goes, Bernt von Heiseler, Hermann Hesse, Arthur Maximilian Miller, Luise Rinser, Ina Seidel, Carl Zuckmayer.

Gertrud von le Fort, für die die Überwindung der Spaltung zwischen Katholiken und Protestanten immer ein Anliegen gewesen ist, stirbt in der Nacht vom (evangelischen) Reformationsfest zum (katholischen) Fest Allerheiligen am 1. November 1971 in Oberstdorf. Bestattet wird sie dort auf dem Waldfriedhof in einem Ehrengrab. Der Schriftsteller Carl Zuckmayer sieht in ihr „die größte Dichterin der Transzendenz in unserer Zeit“.

Ihr literarisches Werk lässt sich in drei Schaffensperioden gliedern: das Frühwerk mit Gedichten und Erzählungen, die mittlere Periode mit den Hymnen an die Kirche (1924), den Hymnen an Deutschland (1932), den Romanen Das Schweißtuch der Veronika / Der römische Brunnen (1928), Der Papst aus dem Ghetto (1930), Die Magdeburgische Hochzeit (1938), und einer Reihe von Erzählungen und Novellen wie z.B. Die Letzte am Schafott (1931), Das Reich des Kindes (1933), Die Opferflamme (1938), Die Abberufung der Jungfrau von Barby (1940). Und schließlich ist das Spätwerk während ihrer Oberstdorfer Zeit zu nennen u.a. mit Das Gericht des Meeres (1943), Das Schweißtuch der Veronika / Der Kranz der Engel (1946), Die Tochter Farinatas, Plus ultra (beides 1950), Am Tor des Himmels (1954), Die Frau des Pilatus (1955) und weiteren Erzählungen bis hin zu ihrer letzten Der Dom (1968). Daneben findet sich ein ansehnliches essayistisches Werk.

Zu ihren zahlreichen Preisen und Auszeichnungen zählen unter anderem: Förderpreis Literatur der Stadt München (1947); Gedenkpreis der badischen Landesregierung aus Anlass des 100. Todestags der Annette von Droste-Hülshoff (zusammen mit Reinhold Schneider, 1948); Gottfried-Keller-Preis der Bodmer-Stiftung Genf (1952); Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland mit Stern (1953); Großer Preis des Landes Nordrhein-Westfalen für Literatur (1955); Ehrenbürgerin von Oberstdorf (1956); Bayerischer Verdienstorden (1959); Ehrenring des Landkreises Sonthofen (1959); Bürgermedaille des Marktes Oberstdorf (1966); Kultureller Ehrenpreis der Stadt München (1969).

Verfasst von: Manfred Schäfer / Gertrud-von-le-Fort-Archiv Ofterschwang

Sekundärliteratur:

Meyerhofer, Nicholas J. (1993): Gertrud von le Fort (Köpfe des 20. Jahrhunderts, 119). Morgenbuch Verlag, Berlin.


Externe Links:

Literatur von Gertrud von le Fort im BVB

Literatur über Gertrud von le Fort im BVB