Alfred Kubin
Als Sohn eines österreichischen Offiziers und Landvermessers wird Alfred Kubin am 10. April 1877 im nordböhmischen Leitmeritz geboren. Kubin besucht das Gymnasium und die Staatsgewerbeschule in Salzburg, die er ohne Abschluss verlässt, und geht 1892 bei seinem Onkel, einem Fotografen, in Klagenfurt in die Lehre. Doch auch diese Ausbildung scheitert an der psychischen Labilität des Schülers; Kubin tritt darauf den Militärdienst an, den er nach 18 Tagen bereits wieder beendet. Ein Freund der Familie erkennt jedoch seine künstlerische Begabung, weshalb der Vater ihn 1898 an die Kunstakademie in München schickt. Dort wird er bald in die Klasse von Nikolaus Gysis aufgenommen.
In Schwabing verkehrt Kubin in künstlerischen und literarischen Kreisen gleichermaßen und gilt aufgrund seiner Selbststilisierung schnell als „Künstlerphilosoph“ bzw. „zeichnender Literat“, ohne auch nur eine Zeile veröffentlicht zu haben. Zeugnisse seines Schaffens werden einige, vom Weltbild der Dekadenzliteratur geprägte Texte, die Mitarbeit bei der Zeitschrift Simplicissimus sowie etliche Illustrationen schöngeistiger Werke. Der Verleger Paul Cassirer veranstaltet 1901 in Berlin eine Ausstellung seiner Blätter, der Dichter Max Dauthendey wird Kubins erster Käufer. Der künstlerische Durchbruch gelingt ihm schließlich zwei Jahre später mit der von Hans von Weber herausgegebenen großen Kubin-Mappe.
1904 lernt Kubin auf einer Einladung bei Karl Wolfskehl die verwitwete Schwester des Schriftstellers Oscar A. H. Schmitz, Hedwig Gründler, kennen. Die beiden heiraten und ziehen 1906 nach Zwickledt in Oberösterreich, wo sie einen Landsitz erwerben. Zurückgezogen und distanziert vom Kulturbetrieb lebt Kubin dort bis an sein Lebensende.
Durch den Tod seines Vaters in eine Schaffenskrise gelangt, schreibt Kubin den Roman Die andere Seite (1908), den er selbst illustriert. Es ist einer der großen phantastischen Romane der deutschen Literatur und das Schlüsselwerk der literarischen Décadence. Der Ich-Erzähler ist ein in München lebender Zeichner, der von seinem zu Reichtum gekommenen früheren Schulkameraden Claus Patera den Auftrag erhält, in dessen Traumreich mit der im zentralasiatischen Tienschan gelegenen Traumstadt Perle zu reisen. Das Reich entpuppt sich als Ort von düster-visionärer Kraft und Fortschrittsfeindlichkeit, das nur von seinem Herrscher, dem unzugänglichen und ständig wandelbaren allgegenwärtigen Patera, zusammengehalten wird. Die Wendung tritt ein mit der Ankunft des amerikanischen Milliardärs Herkules Bell, der versucht, Patera zu stürzen, und das Land in einen apokalyptischen Untergang stürzt. Beide Kontrahenten verschmelzen miteinander – die wahren Hintergründe bleiben jedoch ungeklärt. Vor allem als Vision der vom Untergang bedrohten europäischen Gesellschaftsordnung erfährt der Roman noch während der Zwischenkriegszeit begeisterte Aufnahme.
Für Kubin bedeutet Die andere Seite nichts weniger als einen schöpferischen Wendepunkt; fortan ändert sich nicht nur sein Zeichenstil, sondern auch seine Haltung gegenüber der Literatur, die er seinen Illustrationen unterordnet. Außer einem (wieder illustrierten) Band Von verschiedenen Ebenen (1922), der einen autobiografischen Abriss, eine Rezension, kunsttheoretische Aufsätze, ein Paar Bildergeschichten sowie eine literarische Groteske enthält, veröffentlicht er einen Sammelband mit vier Kurzgeschichten (Der Guckkasten, 1925), dem sich noch ein weiterer Band mit Aufsätzen und Erzählungen unter dem Titel Vom Schreibtisch eines Zeichners (1939), die Abenteuer einer Zeichenfeder (1941) und Nüchterne Balladen anschließen. Eine stark stilisierte Selbstbiografie, in späteren Auflagen seines Romans aktualisiert, erscheint separat 1959 (Dämonen und Nachtgesichte).
Kubin unterhält zahlreiche Freundschaften zu bekannten bayerischen Schriftstellern, u.a. zu Hans Carossa, Hans Watzlik, Siegfried von Vegesack, Max Peinkofer und Richard Billinger. Während sein literarisches Spätwerk kaum beachtet wird, findet sein Roman Die andere Seite unter vielen Literaten und Künstlern begeisterte Anhänger. Besonderen Einfluss hat er auf Franz Kafka, Ernst Jünger und Hermann Kasack, aber auch auf heutige Gegenwartsautoren wie Herbert Rosendorfer (Der Ruinenbaumeister), Christoph Ransmayr (Die letzte Welt) sowie Uwe Dick (Sauwaldprosa).
Sekundärliteratur:
http://www.galerie-altnoeder.com/documents/Kubin_Bioraphie.pdf, (27.06.2012).
Brockhaus, Christoph: Kubin, Alfred. In: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 158-160, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118567365.html, (27.06.2012).
Geyer, Andreas (2004): Alfred Kubin (10.4.1877 – 20.8.1959). Grenzgänger zwischen Kunst und Literatur. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 89-91.
Kubin, Alfred. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000001025, (27.06.2012).
Externe Links:
Literatur von Alfred Kubin im BVB
Literatur über Alfred Kubin im BVB
Illustrationen von Alfred Kubin
Als Sohn eines österreichischen Offiziers und Landvermessers wird Alfred Kubin am 10. April 1877 im nordböhmischen Leitmeritz geboren. Kubin besucht das Gymnasium und die Staatsgewerbeschule in Salzburg, die er ohne Abschluss verlässt, und geht 1892 bei seinem Onkel, einem Fotografen, in Klagenfurt in die Lehre. Doch auch diese Ausbildung scheitert an der psychischen Labilität des Schülers; Kubin tritt darauf den Militärdienst an, den er nach 18 Tagen bereits wieder beendet. Ein Freund der Familie erkennt jedoch seine künstlerische Begabung, weshalb der Vater ihn 1898 an die Kunstakademie in München schickt. Dort wird er bald in die Klasse von Nikolaus Gysis aufgenommen.
In Schwabing verkehrt Kubin in künstlerischen und literarischen Kreisen gleichermaßen und gilt aufgrund seiner Selbststilisierung schnell als „Künstlerphilosoph“ bzw. „zeichnender Literat“, ohne auch nur eine Zeile veröffentlicht zu haben. Zeugnisse seines Schaffens werden einige, vom Weltbild der Dekadenzliteratur geprägte Texte, die Mitarbeit bei der Zeitschrift Simplicissimus sowie etliche Illustrationen schöngeistiger Werke. Der Verleger Paul Cassirer veranstaltet 1901 in Berlin eine Ausstellung seiner Blätter, der Dichter Max Dauthendey wird Kubins erster Käufer. Der künstlerische Durchbruch gelingt ihm schließlich zwei Jahre später mit der von Hans von Weber herausgegebenen großen Kubin-Mappe.
1904 lernt Kubin auf einer Einladung bei Karl Wolfskehl die verwitwete Schwester des Schriftstellers Oscar A. H. Schmitz, Hedwig Gründler, kennen. Die beiden heiraten und ziehen 1906 nach Zwickledt in Oberösterreich, wo sie einen Landsitz erwerben. Zurückgezogen und distanziert vom Kulturbetrieb lebt Kubin dort bis an sein Lebensende.
Durch den Tod seines Vaters in eine Schaffenskrise gelangt, schreibt Kubin den Roman Die andere Seite (1908), den er selbst illustriert. Es ist einer der großen phantastischen Romane der deutschen Literatur und das Schlüsselwerk der literarischen Décadence. Der Ich-Erzähler ist ein in München lebender Zeichner, der von seinem zu Reichtum gekommenen früheren Schulkameraden Claus Patera den Auftrag erhält, in dessen Traumreich mit der im zentralasiatischen Tienschan gelegenen Traumstadt Perle zu reisen. Das Reich entpuppt sich als Ort von düster-visionärer Kraft und Fortschrittsfeindlichkeit, das nur von seinem Herrscher, dem unzugänglichen und ständig wandelbaren allgegenwärtigen Patera, zusammengehalten wird. Die Wendung tritt ein mit der Ankunft des amerikanischen Milliardärs Herkules Bell, der versucht, Patera zu stürzen, und das Land in einen apokalyptischen Untergang stürzt. Beide Kontrahenten verschmelzen miteinander – die wahren Hintergründe bleiben jedoch ungeklärt. Vor allem als Vision der vom Untergang bedrohten europäischen Gesellschaftsordnung erfährt der Roman noch während der Zwischenkriegszeit begeisterte Aufnahme.
Für Kubin bedeutet Die andere Seite nichts weniger als einen schöpferischen Wendepunkt; fortan ändert sich nicht nur sein Zeichenstil, sondern auch seine Haltung gegenüber der Literatur, die er seinen Illustrationen unterordnet. Außer einem (wieder illustrierten) Band Von verschiedenen Ebenen (1922), der einen autobiografischen Abriss, eine Rezension, kunsttheoretische Aufsätze, ein Paar Bildergeschichten sowie eine literarische Groteske enthält, veröffentlicht er einen Sammelband mit vier Kurzgeschichten (Der Guckkasten, 1925), dem sich noch ein weiterer Band mit Aufsätzen und Erzählungen unter dem Titel Vom Schreibtisch eines Zeichners (1939), die Abenteuer einer Zeichenfeder (1941) und Nüchterne Balladen anschließen. Eine stark stilisierte Selbstbiografie, in späteren Auflagen seines Romans aktualisiert, erscheint separat 1959 (Dämonen und Nachtgesichte).
Kubin unterhält zahlreiche Freundschaften zu bekannten bayerischen Schriftstellern, u.a. zu Hans Carossa, Hans Watzlik, Siegfried von Vegesack, Max Peinkofer und Richard Billinger. Während sein literarisches Spätwerk kaum beachtet wird, findet sein Roman Die andere Seite unter vielen Literaten und Künstlern begeisterte Anhänger. Besonderen Einfluss hat er auf Franz Kafka, Ernst Jünger und Hermann Kasack, aber auch auf heutige Gegenwartsautoren wie Herbert Rosendorfer (Der Ruinenbaumeister), Christoph Ransmayr (Die letzte Welt) sowie Uwe Dick (Sauwaldprosa).
http://www.galerie-altnoeder.com/documents/Kubin_Bioraphie.pdf, (27.06.2012).
Brockhaus, Christoph: Kubin, Alfred. In: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 158-160, http://www.deutsche-biographie.de/pnd118567365.html, (27.06.2012).
Geyer, Andreas (2004): Alfred Kubin (10.4.1877 – 20.8.1959). Grenzgänger zwischen Kunst und Literatur. In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 89-91.
Kubin, Alfred. In: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000001025, (27.06.2012).