Ludwig Klages
Der Sohn einer Kaufmannsfamilie beginnt 1891 in Leipzig das Studium der Chemie, Physik, Philosophie und Psychologie und arbeitet zwischenzeitlich am Polytechnikum in Hannover, bis er 1893 nach München überwechselt, wo er 1901 in Chemie über den „Versuch zu einer Synthese des Menthons“ promoviert wird.
Klages' Interessen gelten gleichwohl der Philosophie, Psychologie und Dichtung. In München lernt er neben wichtigen Philosophen den Graphologen Hans Hinrich Busse, die Dichter Stefan George, Friedrich und Ricarda Huch, Ludwig Derleth, Karl Wolfskehl und Alfred Schuler kennen. Zwischen 1894 und 1904 veröffentlicht er Gedichte sowie Prosa in den Blättern für die Kunst Georges, den er in einer Monografie als menschgewordenen Kosmos feiert. Mit Schuler, George und Wolfskehl bildet Klages den Kreis der Kosmiker, wo er u.a. auf J. J. Bachofens philosophische Schrift Mutterrecht (1861) stößt. 1896 gründet er mit Busse und Georg Meyer die Deutsche Graphologische Gesellschaft und gibt 1900-08 die Graphologischen Monatshefte heraus.
Die Freundschaft mit George wird im Zuge des Kosmiker-Streits wieder gelöst. Im Winter 1903/04 zerbricht die Runde zwischen Klages und Schuler zum einen, George und Wolfskehl zum anderen. Auslöser sind nach Franziska zu Reventlows Schlüsselroman Herrn Dames Aufzeichnungen (1913) Klages' („Hallwigs“) antisemitische Vorbehalte, was auch seine späteren denunziatorischen Äußerungen von 1940 bekräftigen.
1905 wird sein Psychodiagnostisches Seminar gegründet, das die graphologischen Forschungen in den Kontext einer allgemeinen Ausdruckswissenschaft stellt und das Klages nach seiner Übersiedlung in die Schweiz im August 1915 1919 in Kilchberg bei Zürich in „Seminar für Ausdruckskunde“ umbenennt. Seine Grundanschauungen in dem Werk Ausdrucksbewegung und Gestaltungskraft (1913) finden bei Alfred Kubin, Hermann Hesse, Carl Jakob Burckhardt, Karl Jaspers u.v.a. rege Aufnahme. Auf zahlreichen Vortragsreisen durch Europa zwischen 1900 und 1949 entfaltet Klages als Privatgelehrter eine intensive Lehrtätigkeit. Sein Essay Vom kosmogonischen Eros (1922) mit seiner Theorie über die Augenblickshaftigkeit ekstatischer Lebensvergewisserung während profaner Andachten in Natur und Kunsterfahrung wird auch von Walter Benjamin und Martin Buber wohlwollend aufgenommen.
Klages' Werk setzt dem logozentrischen Denken des Positivismus eine Metaphysik der Seele und des Lebens entgegen. In seinen philosophischen Schriften wie in den von ihm selbst begründeten psychologischen Disziplinen Ausdruckskunde, Graphologie und Charakterkunde entwickelt er eine „um Sinn und Erscheinungsweise des Lebens bemühte biozentrische Konzeption“ (Friedbert Holz), wobei er die aus der griechischen Philosophie stammende Dreiteilung von Geist-Seele-Leib wiederaufnimmt und Leib und Seele als „untrennbar zusammengehörige Pole der Lebenszelle“ versteht. Sein philosophisches Hauptwerk firmiert unter dem Titel Der Geist als Widersacher der Seele (1929/33, 1916 unter dem vorläufigen Titel Geist und Seele begonnen). Die Welt sieht Klages nicht als quantitatives Ganzes isolierter Dinge und Gegenstände, sondern als qualitative Bild- und Erscheinungswirklichkeit. In einer universellen Bildtheorie unter Einfluss der Romantik (C. G. Carus) kommt Klages zu der Vorstellung, dass nur das Bild, „das in die Sinne fällt“, der Sinn der Welt, der qualitative Bildwert – also die Einheit des Sinns in den Erscheinungen bzw. „das allen Erscheinungen innewohnende Leben“ – in einer erscheinungswissenschaftlichen Methode entsprechend zu ergründen sei. Dabei ist der Gedanke leitend, dass Sach- und Sinnforschung nicht in Konkurrenz zueinander, der Geist nicht „als Widersacher der Seele“ stehen. (Dagegen rechnet Thomas Mann Klages' geistfeindliches Denken aus Flucht vor dem ‚Willen zur Zukunft‘ der anti-aufklärerischen Reaktion zu und karikiert es als „Dummheitstreue“.)
Im Jahre 1932 erhält Klages die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, bereits 1923 ist ihm der Nietzsche-Preis verliehen worden. 1933 ist er Senator an der Deutschen Akademie in München, im Wintersemester 1933/34 wird ihm eine Gastprofessur an der Universität Berlin übertragen. Vor allem wegen seines Pessimismus wird Klages jedoch zur Zielscheibe nationalsozialistischer Kritik (ab 1938).
Nach vereinzelten öffentlichen Vorträgen stirbt er am 29. Juli 1956 in Kilchberg.
Sekundärliteratur:
Arndt, Martin: Klages, Ludwig. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. 3 (1992), Sp. 1555-1564, http://www.bautz.de/bbkl/k/Klages.shtml, (09.11.2012).
Holz, Friedbert: Klages, Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 700-702, http://www.deutsche-biographie.de/pnd11856269X.html, (09.11.2012).
Externe Links:
Literatur von Ludwig Klages im BVB
Literatur über Ludwig Klages im BVB
Der Sohn einer Kaufmannsfamilie beginnt 1891 in Leipzig das Studium der Chemie, Physik, Philosophie und Psychologie und arbeitet zwischenzeitlich am Polytechnikum in Hannover, bis er 1893 nach München überwechselt, wo er 1901 in Chemie über den „Versuch zu einer Synthese des Menthons“ promoviert wird.
Klages' Interessen gelten gleichwohl der Philosophie, Psychologie und Dichtung. In München lernt er neben wichtigen Philosophen den Graphologen Hans Hinrich Busse, die Dichter Stefan George, Friedrich und Ricarda Huch, Ludwig Derleth, Karl Wolfskehl und Alfred Schuler kennen. Zwischen 1894 und 1904 veröffentlicht er Gedichte sowie Prosa in den Blättern für die Kunst Georges, den er in einer Monografie als menschgewordenen Kosmos feiert. Mit Schuler, George und Wolfskehl bildet Klages den Kreis der Kosmiker, wo er u.a. auf J. J. Bachofens philosophische Schrift Mutterrecht (1861) stößt. 1896 gründet er mit Busse und Georg Meyer die Deutsche Graphologische Gesellschaft und gibt 1900-08 die Graphologischen Monatshefte heraus.
Die Freundschaft mit George wird im Zuge des Kosmiker-Streits wieder gelöst. Im Winter 1903/04 zerbricht die Runde zwischen Klages und Schuler zum einen, George und Wolfskehl zum anderen. Auslöser sind nach Franziska zu Reventlows Schlüsselroman Herrn Dames Aufzeichnungen (1913) Klages' („Hallwigs“) antisemitische Vorbehalte, was auch seine späteren denunziatorischen Äußerungen von 1940 bekräftigen.
1905 wird sein Psychodiagnostisches Seminar gegründet, das die graphologischen Forschungen in den Kontext einer allgemeinen Ausdruckswissenschaft stellt und das Klages nach seiner Übersiedlung in die Schweiz im August 1915 1919 in Kilchberg bei Zürich in „Seminar für Ausdruckskunde“ umbenennt. Seine Grundanschauungen in dem Werk Ausdrucksbewegung und Gestaltungskraft (1913) finden bei Alfred Kubin, Hermann Hesse, Carl Jakob Burckhardt, Karl Jaspers u.v.a. rege Aufnahme. Auf zahlreichen Vortragsreisen durch Europa zwischen 1900 und 1949 entfaltet Klages als Privatgelehrter eine intensive Lehrtätigkeit. Sein Essay Vom kosmogonischen Eros (1922) mit seiner Theorie über die Augenblickshaftigkeit ekstatischer Lebensvergewisserung während profaner Andachten in Natur und Kunsterfahrung wird auch von Walter Benjamin und Martin Buber wohlwollend aufgenommen.
Klages' Werk setzt dem logozentrischen Denken des Positivismus eine Metaphysik der Seele und des Lebens entgegen. In seinen philosophischen Schriften wie in den von ihm selbst begründeten psychologischen Disziplinen Ausdruckskunde, Graphologie und Charakterkunde entwickelt er eine „um Sinn und Erscheinungsweise des Lebens bemühte biozentrische Konzeption“ (Friedbert Holz), wobei er die aus der griechischen Philosophie stammende Dreiteilung von Geist-Seele-Leib wiederaufnimmt und Leib und Seele als „untrennbar zusammengehörige Pole der Lebenszelle“ versteht. Sein philosophisches Hauptwerk firmiert unter dem Titel Der Geist als Widersacher der Seele (1929/33, 1916 unter dem vorläufigen Titel Geist und Seele begonnen). Die Welt sieht Klages nicht als quantitatives Ganzes isolierter Dinge und Gegenstände, sondern als qualitative Bild- und Erscheinungswirklichkeit. In einer universellen Bildtheorie unter Einfluss der Romantik (C. G. Carus) kommt Klages zu der Vorstellung, dass nur das Bild, „das in die Sinne fällt“, der Sinn der Welt, der qualitative Bildwert – also die Einheit des Sinns in den Erscheinungen bzw. „das allen Erscheinungen innewohnende Leben“ – in einer erscheinungswissenschaftlichen Methode entsprechend zu ergründen sei. Dabei ist der Gedanke leitend, dass Sach- und Sinnforschung nicht in Konkurrenz zueinander, der Geist nicht „als Widersacher der Seele“ stehen. (Dagegen rechnet Thomas Mann Klages' geistfeindliches Denken aus Flucht vor dem ‚Willen zur Zukunft‘ der anti-aufklärerischen Reaktion zu und karikiert es als „Dummheitstreue“.)
Im Jahre 1932 erhält Klages die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, bereits 1923 ist ihm der Nietzsche-Preis verliehen worden. 1933 ist er Senator an der Deutschen Akademie in München, im Wintersemester 1933/34 wird ihm eine Gastprofessur an der Universität Berlin übertragen. Vor allem wegen seines Pessimismus wird Klages jedoch zur Zielscheibe nationalsozialistischer Kritik (ab 1938).
Nach vereinzelten öffentlichen Vorträgen stirbt er am 29. Juli 1956 in Kilchberg.
Arndt, Martin: Klages, Ludwig. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. 3 (1992), Sp. 1555-1564, http://www.bautz.de/bbkl/k/Klages.shtml, (09.11.2012).
Holz, Friedbert: Klages, Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 700-702, http://www.deutsche-biographie.de/pnd11856269X.html, (09.11.2012).