Info
Geb.: 19.12.1925 in Oberlind, Landkreis Sonneberg, Thüringen
Gest.: 1. 6.2017 in Berlin
Tankred Dorst bei der Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, 3. Juli 1986 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)
Titel: Dr. h.c.

Tankred Dorst

Der Dramatiker, Drehbuchautor, Regisseur, Erzähler, Librettist und Übersetzer Tankred Dorst wird am 19. Dezember 1925 in thüringischen Oberlind geboren. Er wächst in einer wohlhabenden Bürgerfamilie auf, besucht die Oberschule und wird 1944 zum Wehrdienst einberufen. An der Westfront gerät er in englische und amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der man ihn Ende 1947 nach Westdeutschland, zu seiner inzwischen enteigneten und geflohenen Familie, entlässt. Dort holt er im nordrhein-westfälischen Lüdinghausen das Abitur nach und beginnt im Anschluss 1950 das Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften in Bamberg. Im darauffolgenden Jahr erfolgt der Umzug nach München, wo er das Studium zunächst fortsetzt, bis er es schließlich ohne Abschluss beendet.

Neben dem Studium sammelt er erste Erfahrungen als Dramatiker am Münchner Marionettentheater „Kleines Spiel“, wo er bis 1964 insgesamt acht Stücke für das Theater verfasst. Einige von diesen, wie A Trumpet for Nap („Trompetenmärchen“, 1959) oder Die Geschichte von Aucassin und Nicolette (Erstaufführung 1953, Neuinszenierung 1964) stehen noch immer auf dem Spielplan.

Seine ersten großen Theaterstücke Die Kurve (1960), Gesellschaft im Herbst (1960) oder Große Schmährede an der Stadtmauer (1961) werden deutschlandweit auf den Bühnen mit großem Erfolg uraufgeführt. Diese anfänglichen Stücke sind zum großen Teil Farcen, Grotesken und Parabeln, die durch die Marionettenbühne beeinflusst sind. Ab Mitte der 1960er orientiert sich Dorst immer mehr an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, wie z.B. in dem Drama Toller (1968), welches in revueartigen Szenen das Scheitern der Münchner Räterepublik zeigt, oder in dem Filmszenario Dorothea Merz (1976), welches Teil der sechsteiligen multimedialen Deutschen Stücke ist.

Während der Entstehungszeit der Deutschen Stücke entsteht sein umfangreichstes Werk: Merlin oder Das wüste Land (1981), eine Adaption des mittelalterlichen Artus-Stoffes. Dieses Stück wird in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die darin enthaltenen Parzival-Passagen entwickelt Dorst weiter für das gemeinsames Projekt Parzival. Auf der anderen Seite des Sees (1987) mit dem Regisseur Robert Wilson.

Wie diese beiden Arbeiten verbinden auch die anderen, die in den 1980er-Jahren entstehen, ein starkes Interesse für die psychologisch bzw. soziologisch unauflösbaren Defizite der Existenz. Beispielsweise thematisiert der Spielfim Eisenhans (1983) die Hilflosigkeit und die Ausweglosigkeit der innerdeutschen Grenzlandschaft.

Anfang der 1970er-Jahre lernt Dorst seine Ehefrau, die Autorin und Übersetzerin Ursula Ehler, kennen, welche fortan seine literarischen Arbeiten als Co-Autorin und Mitherausgeberin begleitet. In den 1990ern arbeitet Dorst intensiv mit seiner Frau an dem Projekt Werkstattberichte, die eine Sammlung darstellt von verstreuten, bekannten und unbekannten Texten, Briefen und Entwürfen der beiden Autoren sowie den Erstdruck der 1997 von Dorst gehaltenen Tübinger Poetikreden enthält.

2006 tritt Dorst das erste Mal als Opernregisseur in Bayreuth bei den Richard-Wagner-Festspielen auf und inszeniert Wagners Ring des Nibelungen. Diese Inszenierung versetzt den Wagner-Stoff in einen modernen Rahmen, in dem die Figuren zwischen Nobelhotel, Abbruchhaus und Autobahn agieren, und ist bis 2010 im Festspielprogramm zu finden.

Bereits 1963 wird Dorst als Mitglied in die Bayerische Akademie der Schönen Künste aufgenommen, 1971 erfolgt die Aufnahme als Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Zudem wird sein literarisches Schaffen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, wie dem Tukan-Preis (1969), dem Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1983), dem Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (1990), dem E.-T.-A.-Hoffmann-Preis der Stadt Bamberg (zus. mit Ursula Ehler, 1997) oder dem Kulturellen Ehrenpreis der Landeshauptstadt München (ebenfalls zus. mit Ursula Ehler, 2005). 2009 bekommt er die Ehrendoktorwürde der Universität Bamberg verliehen.

Einmal jährlich wird der Tankred-Dorst-Preis der Drehbuchwerkstatt München beim Filmfest München für das beste Drehbuch mit einem Preisgeld von 3.000 Euro verliehen; Tankred Dorst ist von 1999 bis 2005 selbst Teil der Jury. Gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Autorinnen und Autoren gründet er in München 1973 die erste genossenschaftlich organisierte Autorenbuchhandlung.

 2013 zieht Dorst mit seiner Frau nach Berlin, wo er am 1. Juni 2017 stirbt.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Patricia Blob

Sekundärliteratur:

Schwab, Hans-Rüdiger (2012): Tankred Dorst. In: Killy Literaturlexikon – Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, Bd. 3, hg. von Wilhelm Kühlmann, De Gruyter.


Externe Links:

Literatur von Tankred Dorst im BVB

Literatur über Tankred Dorst im BVB

Tankred Dorst in der Wikipedia