Abraham a Sancta Clara
Der Sohn eines Gastwirts besucht die Lateinschule in Meßkirch, dann das Jesuitengymnasium in Ingolstadt (1656). Durch seinen Onkel, der als Kirchenmusiker tätig ist, kommt er zu den Benediktinern nach Salzburg. 1662 tritt Abraham in das Augustinerbarfüßer-Kloster Maria Brunn bei Wien ein, 1666 erfolgt die Priesterweihe. Ab 1670 wirkt er zwei Jahre als Wallfahrtsprediger in Maria Stern zu Taxa bei Augsburg, wird aber als Prediger der Augustinerkirche nach Wien zurückberufen, wo ihn 1677 Leopold I. zum kaiserlichen Hofprediger ernennt. Zum Prior seines Klosters Maria Brunn gewählt, ist er 1683-1688 Kanzelredner in Graz. In Ordensangelegenheiten reist Abraham dreimal nach Rom und bekleidet hohe Ämter der deutsch-böhmischen Ordensprovinz: 1689 wird er Provinzial, 1692 Definitor.
Abraham gilt als der katholische Barockprediger schlechthin; mit seinen volkstümlichen, temperamentvoll vorgetragenen Predigten und Schriften erlangt er weitreichende Wirksamkeit. In Wien macht er sich schon während der Pestepidemie (1679) sowie im Jahr der Türkenbelagerung (1683) mit persönlichem Einsatz für die notleidende Bevölkerung einen Namen. Einzeldrucke seiner Kanzelreden kursieren als Flugschriften mit bis zu 12 Auflagen im Erscheinungsjahr.
Der wiederkehrende religiöse Bezug zum Leben und Leiden Christi hindert ihn nicht, Alltagssituationen mit humoristischen Wortspielen und Geschichten zu glossieren, so in seinem vierbändigen Hauptwerk Judas Der Ertz-Schelm, Für ehrliche Leuth (1686-95). Neben freizügiger Satire (in der Stände-Beschreibung Etwas für Alle, 1699) greift Abraham die von Sebastian Brant initiierte und von Thomas Murner, Erasmus von Rotterdam und Aegidius Albertinus abgewandelte Idee von der Narrheit als geistiger Blindheit des gottfernen sündhaften Menschen wieder auf und löst damit eine neue Welle von Narrenliteratur aus. In Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Verleger und Kupferstecher Christoph Weigel verfasst Abraham zudem ein werbewirksames Geleitwort zu Caspar Luykens Kostümwerk Neu-eröffnete Welt-Galleria (1703), wie er überhaupt der zeitgenössischen Emblematik sehr nahe steht.
Durch Raubdruck verbreitet und von Amtsbrüdern kopiert, werden seine Werke äußerst populär. Abrahams Texte sind gekennzeichnet von bildhafter, oft derbdrastischer Rhetorik und sind überaus reich an Sprichwörtern, Metaphern, Verseinlagen, mitunter ans Kalauerische grenzenden Wortspielen. Spätere Zeitgenossen wie Goethe und Schiller erkennen die „Tollheit“ und „Gescheidigkeit“ dieses „prächtigen Originals“ (vgl. Briefwechsel vom 5. und 8./9.10.1798), weshalb Schiller noch dessen „Auff, auff, Ihr Christen!“ (1683) als Vorlage für seine Kapuzinerpredigt in Wallensteins Lager verwendet.
1834-1854 erscheint in Passau-Lindau eine, wenn auch unvollständige und unkritische 21-bändige Gesamtausgabe Abrahams. Werke aus dem handschriftlichen Nachlass werden ein Jahrhundert später von Karl Bertsche in drei Bänden herausgegeben (1943-45). Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Gesamtausgabe fehlt weiterhin.
Sekundärliteratur:
Bertsche, Karl (1961): Die Werke Abrahams a Sancta Clara in ihren Frühdrucken. Hg. von Michael O. Krieg. Walter Krieg Verlag, Wien.
Knittel, Anton Philipp (Hg.) (2012): Unterhaltender Prediger und gelehrter Stofflieferant. Abraham a Sancta Clara (1644-1709). Beiträge eines Symposions anlässlich seines 300. Todestages. Edition Isele, Eggingen.
Vancsa, Kurt: Abraham a Sancta Clara. In: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 21f., http://www.deutsche-biographie.de/pnd11850021X.html, (15.12.2012).
Externe Links:
Literatur von Abraham a Sancta Clara im BVB
Literatur über Abraham a Sancta Clara im BVB
Der Sohn eines Gastwirts besucht die Lateinschule in Meßkirch, dann das Jesuitengymnasium in Ingolstadt (1656). Durch seinen Onkel, der als Kirchenmusiker tätig ist, kommt er zu den Benediktinern nach Salzburg. 1662 tritt Abraham in das Augustinerbarfüßer-Kloster Maria Brunn bei Wien ein, 1666 erfolgt die Priesterweihe. Ab 1670 wirkt er zwei Jahre als Wallfahrtsprediger in Maria Stern zu Taxa bei Augsburg, wird aber als Prediger der Augustinerkirche nach Wien zurückberufen, wo ihn 1677 Leopold I. zum kaiserlichen Hofprediger ernennt. Zum Prior seines Klosters Maria Brunn gewählt, ist er 1683-1688 Kanzelredner in Graz. In Ordensangelegenheiten reist Abraham dreimal nach Rom und bekleidet hohe Ämter der deutsch-böhmischen Ordensprovinz: 1689 wird er Provinzial, 1692 Definitor.
Abraham gilt als der katholische Barockprediger schlechthin; mit seinen volkstümlichen, temperamentvoll vorgetragenen Predigten und Schriften erlangt er weitreichende Wirksamkeit. In Wien macht er sich schon während der Pestepidemie (1679) sowie im Jahr der Türkenbelagerung (1683) mit persönlichem Einsatz für die notleidende Bevölkerung einen Namen. Einzeldrucke seiner Kanzelreden kursieren als Flugschriften mit bis zu 12 Auflagen im Erscheinungsjahr.
Der wiederkehrende religiöse Bezug zum Leben und Leiden Christi hindert ihn nicht, Alltagssituationen mit humoristischen Wortspielen und Geschichten zu glossieren, so in seinem vierbändigen Hauptwerk Judas Der Ertz-Schelm, Für ehrliche Leuth (1686-95). Neben freizügiger Satire (in der Stände-Beschreibung Etwas für Alle, 1699) greift Abraham die von Sebastian Brant initiierte und von Thomas Murner, Erasmus von Rotterdam und Aegidius Albertinus abgewandelte Idee von der Narrheit als geistiger Blindheit des gottfernen sündhaften Menschen wieder auf und löst damit eine neue Welle von Narrenliteratur aus. In Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Verleger und Kupferstecher Christoph Weigel verfasst Abraham zudem ein werbewirksames Geleitwort zu Caspar Luykens Kostümwerk Neu-eröffnete Welt-Galleria (1703), wie er überhaupt der zeitgenössischen Emblematik sehr nahe steht.
Durch Raubdruck verbreitet und von Amtsbrüdern kopiert, werden seine Werke äußerst populär. Abrahams Texte sind gekennzeichnet von bildhafter, oft derbdrastischer Rhetorik und sind überaus reich an Sprichwörtern, Metaphern, Verseinlagen, mitunter ans Kalauerische grenzenden Wortspielen. Spätere Zeitgenossen wie Goethe und Schiller erkennen die „Tollheit“ und „Gescheidigkeit“ dieses „prächtigen Originals“ (vgl. Briefwechsel vom 5. und 8./9.10.1798), weshalb Schiller noch dessen „Auff, auff, Ihr Christen!“ (1683) als Vorlage für seine Kapuzinerpredigt in Wallensteins Lager verwendet.
1834-1854 erscheint in Passau-Lindau eine, wenn auch unvollständige und unkritische 21-bändige Gesamtausgabe Abrahams. Werke aus dem handschriftlichen Nachlass werden ein Jahrhundert später von Karl Bertsche in drei Bänden herausgegeben (1943-45). Eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Gesamtausgabe fehlt weiterhin.
Bertsche, Karl (1961): Die Werke Abrahams a Sancta Clara in ihren Frühdrucken. Hg. von Michael O. Krieg. Walter Krieg Verlag, Wien.
Knittel, Anton Philipp (Hg.) (2012): Unterhaltender Prediger und gelehrter Stofflieferant. Abraham a Sancta Clara (1644-1709). Beiträge eines Symposions anlässlich seines 300. Todestages. Edition Isele, Eggingen.
Vancsa, Kurt: Abraham a Sancta Clara. In: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 21f., http://www.deutsche-biographie.de/pnd11850021X.html, (15.12.2012).