Maria Janitschek
Maria Janitschek wird als Tochter der aus einer Offiziersfamilie stammenden Anna Tölk und eines polnischen Offiziers 1859 in Wien geboren. Sie wächst unter ärmlichsten Bedingungen in Ungarn auf. Eine Ausbildung erfährt sie nur zeitweise in einer ungarischen Klosterschule. Schon früh wendet sie sich dem Zeichnen und Schreiben zu. 1878, mit 19 Jahren, zieht sie mit ihrer Mutter nach Graz, wo sie unter dem Pseudonym Marius Stein erstmals eine journalistische Tätigkeit ausübt und für die Zeitungen Moderne Dichtung und Wiener Rundschau arbeitet.
1882 heiratet sie den Professor für Archäologie und Kunstgeschichte Hubertus Janitschek in Straßburg. Die Heirat mit dem Wissenschaftler wird zu einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie erhält erstmals eine angesehene gesellschaftliche Stellung, auch intellektuell ist die Beziehung mit dem anerkannten Renaissance‐Forscher anregend, zumal Janitschek auch ein eher fortschrittliches Frauenbild vertritt.
Ihr erstes Buch Legenden und Geschichten erscheint 1885 im W. Spemann Verlag, der Verlag, der auch die Werke ihres Mannes verlegt. 1889 publiziert sie ihren ersten Gedichtband Irdische und unirdische Träume. Er enthält das Gedicht „Ein modernes Weib“, das bald heftig kritisiert wird. In diesem Gedicht, eine pathetische Proklamation der ‚neuen Frau‘, fordert eine Frau, die sich von einem Mann in ihrer Ehre zutiefst verletzt sieht, diesen zum Duell heraus. Er jedoch weigert sich und verweist sie auf ihre traditionelle Rolle, die der duldenden und vergebenden Frau. Auf drastische Weise stellt die Gedemütigte klar, dass eine ‚moderne Frau‘ auch das Recht der Wiederherstellung ihrer Ehre beansprucht: „So wisse, daß das Weib gewachsen ist im neunzehnten Jahrhundert“, sprach sie mit großem Aug‘ und schoss ihn nieder.“
1892 zieht das Ehepaar Janitschek nach Leipzig. Als Hubert Janitschek 1893 stirbt, wendet sich die Schriftstellerin nach Berlin. Hier steht sie bald in Kontakt zur bürgerlichen Frauenbewegung, schreibt auch für die Zeitschrift Die Frau. Von 1895 bis 1902 erscheinen hier insgesamt zwölf Publikationen von Maria Janitschek, meist Auszüge aus ihren Werken, Novellen und Gedichte, die oft prominent als Aufmacher und Vorabdrucke präsentiert werden.
Wie viele andere Schriftstellerinnen ihrer Zeit siedelt Maria Janitschek in den 1890er-Jahren nach München über, das damals als geistig freieste Stadt gilt und sich in diesen Jahren zu einem Zentrum der in Bayern Fuß fassenden bürgerlichen Frauenbewegung entwickelt. Um 1895 ist Maria Janitschek Gast im literarischen Salon Carry Brachvogels am Münchner Siegestor, wo sie als „heißblütige schöne Erotikerin“ gefeiert wird.
In den 1890er-Jahren publiziert Maria Janitschek Anthologien, Gedichte, Romane, Novellen, Erzählungen und Essays. 1896 wird sie durch Vermittlung von Ernst von Wolzogen Autorin des S. Fischer Verlages in Berlin. Bei dem renommierten Verlag der Moderne veröffentlicht sie vor 1900 drei Werke: 1896 die Novelle Vom Weibe mit einem Umschlagentwurf von Otto Eckmann und die Novelle Ins Leben verirrt; 1897 die Novelle Raoul und Irene mit einem Umschlagentwurf von Fidus. Im selben Jahr wird ihr Roman Amazonenschlacht veröffentlicht. Dieser kann sowohl als Parodie auf besonders engagierte Frauenrechtlerinnen gelesen, zugleich aber auch als Kritik an einer unselbständigen, verwöhnten Frau verstanden werden, die den großen Zielen der Frauenbewegung nicht gewachsen ist und deshalb zurück in die Abhängigkeit von ihrem Mann kehren muss.
Als 1899 in München der Erste Bayerische Frauentag stattfindet, den der 1894 in München gegründete Verein für Fraueninteressen organisiert hat, wird dieser mit einem Festabend beschlossen. Nach der Aufführung von Marie Haushofers Festspiel Zwölf Culturbilder aus dem Leben der Frau werden Gedichte moderner Dichterinnen vorgetragen, darunter Mädchenfrage von Maria Janitschek. 1900 kommt ihr Novellenband Frauenkraft heraus, 1902 ein weiterer mit dem Titel Die Neue Eva. Um 1900 gilt die Schriftstellerin im Kaiserreich als eine engagierte Autorin der Frauenbewegung. Ganz eindeutig zuordnen lässt sie sich aber nicht. Sie ist kein Mitglied in den Organen und Vereinen der Frauenbewegung, oft greift sie in ihren Büchern auch brisante Themen der Frauenbewegung auf, wie die sexuelle Erziehung von Mädchen, weibliche Sexualität und Homosexualität. Zudem finden sich in ihren Werken teilweise sehr drastische Schilderungen von weiblichen Rächerfiguren. Janitscheks Werke rufen in der patriarchalischen Gesellschaft des Kaiserreiches heftige Reaktionen hervor und bringen ihr auch den Unmut der Zensurbehörden ein. Die Art und Weise, wie sie die Liebes- und Eheprobleme der Frauen ihrer Zeit verarbeitet, wird vielerorts als zu freizügig empfunden. Ihr Novellenband Die neue Eva (1902) wird 1909 sogar verboten. Andere wiederum schätzen nicht nur ihren Mut, sondern auch ihre dichterischen Fähigkeiten. Ihr Roman Esclarmonde aus dem Jahr 1907 wird als herausragendes Werk hochgelobt:
Maria Janitschek hat sich in zahlreichen Dichtungen lyrischer und erzählender Art als wagemutige Interpretin des spezifisch modernen Weibes gezeigt. Französische Vorbilder, vor allem Maupassant und sein Nachahmer Prevost scheinen auf ihre Kunst ihre Problemstellung sowohl wie auf ihre Gestaltungsweise Einfluß gehabt zu haben. Mit dem jüngst erschienenen Albingenserroman „Esclarmonde“ hat sie zweifellos ihren größten Wurf getan. Sie entrollt hier ein düsteres historisches Gemälde von bedeutender Konzeption und gibt ihm durch die vollendete Art und Weise, wie sie sich in das Seelenleben ihrer Heldin einfühlt, den vollen Reiz frischer Gegenwart. Durch die thelistisch gesteigerte Gebärde der Komposition erhält das Ganze fast das Aussehen eines alten epischen Gedichtes, es enthält die feierliche, groß bewegte Rhythmik eines aus dem Volk hervorgegangenen Heldenmäre. (Wichtel 1907)
Im Ersten Weltkrieg und danach schreibt sie auch Unterhaltungsliteratur, so z.B. 1920 Kinder der Pußta. In dem Buch Saat und Ernte – Die deutsche Lyrik um 1925 wird sie als bekannte deutsche Lyrikerin präsentiert. 1925 mit 65 Jahren wird Maria Janitschek zu Münchens bekanntesten Autorinnen gezählt. In einem Zeitungsartikel, der Münchner Schriftstellerinnen vorstellt, erscheint sie in einer Reihe mit Carry Brachvogel, Emma Haushofer-Merk, D‘est Stinnes, Gräfin Ilda Dezasse und Eva Gräfin von Baudissin. Die Journalistin Lily Dziadek präsentiert Janitschek nicht nur als eine anerkannte Schriftstellerin, sondern auch als eine bekannte Schönheit und Persönlichkeit:
Nun saß ich ihr gegenüber, der Frau vor deren Bild ich als Dreizehnjährige Stunden verbracht. Damals hatte ich es gefunden, in irgendeinem Werk der ‚Schönheit‘. Ich wußte nicht, wer Maria Janitschek war, wollte es garnicht wissen. Meine Augen sahen nur, daß diese klare Stirne, dieses lockenumrahmte Haupt, diese gleichmäßigen Züge schön waren, – unendlich schön. Mein Schauen war damals eine kindliche Huldigung an alles Schöne. Maria Janitschek spricht auf meinen Wunsch von sich: „Mein Vater, ein polnischer Offizier hatte sich einen Tag bevor er ins Feld zog mit meiner Mutter einer Französin vermählt. Ich wurde dort in der Pußta geboren. Mein Vater kam nie wieder. – Die Ahnen meiner Mutter starben unter der Guillotine“. Sie sprach diese Worte langsam, nachdenklich. Wie sie so hoch aufgerichtet da saß, die noch immer edlen Züge fast versteint, habe ich plötzlich die Empfindung: So müssen die Frauen ausgesehen haben, die, auf dem Dreistuhl sitzend, großen Männern das Schicksal kündeten! – Doch dann wird sie lebhaft und erzählt mit inniger Liebe von ihrem verstorbenen Gatten, Professor Janitschek, dem damaligen Kunsthistoriker der Straßburger Universität. Er war ihr Kamerad, ihr Geliebter. Maria Janitschek ist eine sehr produktive Schriftstellerin. Sie hat bis heute 40 Bücher geschrieben, und weitere dürfen wir erwarten. – Ein Leo Tolstoi, Paul Heyse, Felix Dahn haben Worte der höchsten Anerkennung über diese Schriftstellerin gesprochen. In München ist Frau Janitschek in intellektuellen Kreisen eine bekannte Persönlichkeit. Jeden Freitagabend öffnen sich die Türen ihres Salons, und jeder kann dort zu Wort kommen, sei er wer er sei, wenn er etwas Gescheites zu sagen weiß. (Dziadek 1925, S. 5)
Zwei Jahre später, am 4. Mai 1927 im Alter von 67 Jahren, stirbt die Autorin in München. Ihr Lebenswerk umfasst um die 50 Bücher.
Sekundärliteratur:
Callsen, Söhnke (2010): Maria Janitschek – eine vergessene Autorin der Jahrhundertwende? Versuch eines werkbiographischen Portraits. In: Literatur und bürgerliche Frauenbewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Forschungsberichte und Studien. Hamburg, S. 73-89. URL: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/20455, (13.12.2017).
Dziadek, Lully (1925): Die Stadt der Dichterinnen. Aus dem Leben von sechs in München wohnenden Schriftstellerinnen: Allgemeine Zeitung Nr. 171 vom 13. Februar 1925, S. 5.
Glugla, Janine (2010): Maria Janitscheks Frauen – Zwischen „alter Eva“ und „neuer Frau“. In: Literatur und bürgerliche Frauenbewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Forschungsberichte und Studien. Hamburg, S. 90-109. URL: https://core.ac.uk/download/pdf/14520311.pdf, (18.09.2019).
Sanders, Daniel (1906): Geschichte der deutschen Literatur. Rev. u. bearb. u. von Goethes Tod bis zur Gegenwart fortgef. von Julius Dumcke. Berlin, S. 161.
Sergel, Albert (1924): Saat und Ernte die Lyrik unserer Tage. In Selbstauswahlen der Dichter und Dichterinnen. Mit kurzen Eigenbiographien und Angabe ihrer Werke. Berlin, Leipzig 1924.
Wichtel, Wichtel (1907): Münchner Dichterinnen. In: Über Land und Meer. Deutsche Illustrierte Zeitung, 98. Bd., 49. Jg., Nr. 33, S. 838.
Wolzogen, Ernst (1922): Wie ich mich ums Leben brachte. Braunschweig/Hamburg, S. 184.
Externe Links:
Literatur von Maria Janitschek im BVB
Maria Janitschek wird als Tochter der aus einer Offiziersfamilie stammenden Anna Tölk und eines polnischen Offiziers 1859 in Wien geboren. Sie wächst unter ärmlichsten Bedingungen in Ungarn auf. Eine Ausbildung erfährt sie nur zeitweise in einer ungarischen Klosterschule. Schon früh wendet sie sich dem Zeichnen und Schreiben zu. 1878, mit 19 Jahren, zieht sie mit ihrer Mutter nach Graz, wo sie unter dem Pseudonym Marius Stein erstmals eine journalistische Tätigkeit ausübt und für die Zeitungen Moderne Dichtung und Wiener Rundschau arbeitet.
1882 heiratet sie den Professor für Archäologie und Kunstgeschichte Hubertus Janitschek in Straßburg. Die Heirat mit dem Wissenschaftler wird zu einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie erhält erstmals eine angesehene gesellschaftliche Stellung, auch intellektuell ist die Beziehung mit dem anerkannten Renaissance‐Forscher anregend, zumal Janitschek auch ein eher fortschrittliches Frauenbild vertritt.
Ihr erstes Buch Legenden und Geschichten erscheint 1885 im W. Spemann Verlag, der Verlag, der auch die Werke ihres Mannes verlegt. 1889 publiziert sie ihren ersten Gedichtband Irdische und unirdische Träume. Er enthält das Gedicht „Ein modernes Weib“, das bald heftig kritisiert wird. In diesem Gedicht, eine pathetische Proklamation der ‚neuen Frau‘, fordert eine Frau, die sich von einem Mann in ihrer Ehre zutiefst verletzt sieht, diesen zum Duell heraus. Er jedoch weigert sich und verweist sie auf ihre traditionelle Rolle, die der duldenden und vergebenden Frau. Auf drastische Weise stellt die Gedemütigte klar, dass eine ‚moderne Frau‘ auch das Recht der Wiederherstellung ihrer Ehre beansprucht: „So wisse, daß das Weib gewachsen ist im neunzehnten Jahrhundert“, sprach sie mit großem Aug‘ und schoss ihn nieder.“
1892 zieht das Ehepaar Janitschek nach Leipzig. Als Hubert Janitschek 1893 stirbt, wendet sich die Schriftstellerin nach Berlin. Hier steht sie bald in Kontakt zur bürgerlichen Frauenbewegung, schreibt auch für die Zeitschrift Die Frau. Von 1895 bis 1902 erscheinen hier insgesamt zwölf Publikationen von Maria Janitschek, meist Auszüge aus ihren Werken, Novellen und Gedichte, die oft prominent als Aufmacher und Vorabdrucke präsentiert werden.
Wie viele andere Schriftstellerinnen ihrer Zeit siedelt Maria Janitschek in den 1890er-Jahren nach München über, das damals als geistig freieste Stadt gilt und sich in diesen Jahren zu einem Zentrum der in Bayern Fuß fassenden bürgerlichen Frauenbewegung entwickelt. Um 1895 ist Maria Janitschek Gast im literarischen Salon Carry Brachvogels am Münchner Siegestor, wo sie als „heißblütige schöne Erotikerin“ gefeiert wird.
In den 1890er-Jahren publiziert Maria Janitschek Anthologien, Gedichte, Romane, Novellen, Erzählungen und Essays. 1896 wird sie durch Vermittlung von Ernst von Wolzogen Autorin des S. Fischer Verlages in Berlin. Bei dem renommierten Verlag der Moderne veröffentlicht sie vor 1900 drei Werke: 1896 die Novelle Vom Weibe mit einem Umschlagentwurf von Otto Eckmann und die Novelle Ins Leben verirrt; 1897 die Novelle Raoul und Irene mit einem Umschlagentwurf von Fidus. Im selben Jahr wird ihr Roman Amazonenschlacht veröffentlicht. Dieser kann sowohl als Parodie auf besonders engagierte Frauenrechtlerinnen gelesen, zugleich aber auch als Kritik an einer unselbständigen, verwöhnten Frau verstanden werden, die den großen Zielen der Frauenbewegung nicht gewachsen ist und deshalb zurück in die Abhängigkeit von ihrem Mann kehren muss.
Als 1899 in München der Erste Bayerische Frauentag stattfindet, den der 1894 in München gegründete Verein für Fraueninteressen organisiert hat, wird dieser mit einem Festabend beschlossen. Nach der Aufführung von Marie Haushofers Festspiel Zwölf Culturbilder aus dem Leben der Frau werden Gedichte moderner Dichterinnen vorgetragen, darunter Mädchenfrage von Maria Janitschek. 1900 kommt ihr Novellenband Frauenkraft heraus, 1902 ein weiterer mit dem Titel Die Neue Eva. Um 1900 gilt die Schriftstellerin im Kaiserreich als eine engagierte Autorin der Frauenbewegung. Ganz eindeutig zuordnen lässt sie sich aber nicht. Sie ist kein Mitglied in den Organen und Vereinen der Frauenbewegung, oft greift sie in ihren Büchern auch brisante Themen der Frauenbewegung auf, wie die sexuelle Erziehung von Mädchen, weibliche Sexualität und Homosexualität. Zudem finden sich in ihren Werken teilweise sehr drastische Schilderungen von weiblichen Rächerfiguren. Janitscheks Werke rufen in der patriarchalischen Gesellschaft des Kaiserreiches heftige Reaktionen hervor und bringen ihr auch den Unmut der Zensurbehörden ein. Die Art und Weise, wie sie die Liebes- und Eheprobleme der Frauen ihrer Zeit verarbeitet, wird vielerorts als zu freizügig empfunden. Ihr Novellenband Die neue Eva (1902) wird 1909 sogar verboten. Andere wiederum schätzen nicht nur ihren Mut, sondern auch ihre dichterischen Fähigkeiten. Ihr Roman Esclarmonde aus dem Jahr 1907 wird als herausragendes Werk hochgelobt:
Maria Janitschek hat sich in zahlreichen Dichtungen lyrischer und erzählender Art als wagemutige Interpretin des spezifisch modernen Weibes gezeigt. Französische Vorbilder, vor allem Maupassant und sein Nachahmer Prevost scheinen auf ihre Kunst ihre Problemstellung sowohl wie auf ihre Gestaltungsweise Einfluß gehabt zu haben. Mit dem jüngst erschienenen Albingenserroman „Esclarmonde“ hat sie zweifellos ihren größten Wurf getan. Sie entrollt hier ein düsteres historisches Gemälde von bedeutender Konzeption und gibt ihm durch die vollendete Art und Weise, wie sie sich in das Seelenleben ihrer Heldin einfühlt, den vollen Reiz frischer Gegenwart. Durch die thelistisch gesteigerte Gebärde der Komposition erhält das Ganze fast das Aussehen eines alten epischen Gedichtes, es enthält die feierliche, groß bewegte Rhythmik eines aus dem Volk hervorgegangenen Heldenmäre. (Wichtel 1907)
Im Ersten Weltkrieg und danach schreibt sie auch Unterhaltungsliteratur, so z.B. 1920 Kinder der Pußta. In dem Buch Saat und Ernte – Die deutsche Lyrik um 1925 wird sie als bekannte deutsche Lyrikerin präsentiert. 1925 mit 65 Jahren wird Maria Janitschek zu Münchens bekanntesten Autorinnen gezählt. In einem Zeitungsartikel, der Münchner Schriftstellerinnen vorstellt, erscheint sie in einer Reihe mit Carry Brachvogel, Emma Haushofer-Merk, D‘est Stinnes, Gräfin Ilda Dezasse und Eva Gräfin von Baudissin. Die Journalistin Lily Dziadek präsentiert Janitschek nicht nur als eine anerkannte Schriftstellerin, sondern auch als eine bekannte Schönheit und Persönlichkeit:
Nun saß ich ihr gegenüber, der Frau vor deren Bild ich als Dreizehnjährige Stunden verbracht. Damals hatte ich es gefunden, in irgendeinem Werk der ‚Schönheit‘. Ich wußte nicht, wer Maria Janitschek war, wollte es garnicht wissen. Meine Augen sahen nur, daß diese klare Stirne, dieses lockenumrahmte Haupt, diese gleichmäßigen Züge schön waren, – unendlich schön. Mein Schauen war damals eine kindliche Huldigung an alles Schöne. Maria Janitschek spricht auf meinen Wunsch von sich: „Mein Vater, ein polnischer Offizier hatte sich einen Tag bevor er ins Feld zog mit meiner Mutter einer Französin vermählt. Ich wurde dort in der Pußta geboren. Mein Vater kam nie wieder. – Die Ahnen meiner Mutter starben unter der Guillotine“. Sie sprach diese Worte langsam, nachdenklich. Wie sie so hoch aufgerichtet da saß, die noch immer edlen Züge fast versteint, habe ich plötzlich die Empfindung: So müssen die Frauen ausgesehen haben, die, auf dem Dreistuhl sitzend, großen Männern das Schicksal kündeten! – Doch dann wird sie lebhaft und erzählt mit inniger Liebe von ihrem verstorbenen Gatten, Professor Janitschek, dem damaligen Kunsthistoriker der Straßburger Universität. Er war ihr Kamerad, ihr Geliebter. Maria Janitschek ist eine sehr produktive Schriftstellerin. Sie hat bis heute 40 Bücher geschrieben, und weitere dürfen wir erwarten. – Ein Leo Tolstoi, Paul Heyse, Felix Dahn haben Worte der höchsten Anerkennung über diese Schriftstellerin gesprochen. In München ist Frau Janitschek in intellektuellen Kreisen eine bekannte Persönlichkeit. Jeden Freitagabend öffnen sich die Türen ihres Salons, und jeder kann dort zu Wort kommen, sei er wer er sei, wenn er etwas Gescheites zu sagen weiß. (Dziadek 1925, S. 5)
Zwei Jahre später, am 4. Mai 1927 im Alter von 67 Jahren, stirbt die Autorin in München. Ihr Lebenswerk umfasst um die 50 Bücher.
Callsen, Söhnke (2010): Maria Janitschek – eine vergessene Autorin der Jahrhundertwende? Versuch eines werkbiographischen Portraits. In: Literatur und bürgerliche Frauenbewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Forschungsberichte und Studien. Hamburg, S. 73-89. URL: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/20455, (13.12.2017).
Dziadek, Lully (1925): Die Stadt der Dichterinnen. Aus dem Leben von sechs in München wohnenden Schriftstellerinnen: Allgemeine Zeitung Nr. 171 vom 13. Februar 1925, S. 5.
Glugla, Janine (2010): Maria Janitscheks Frauen – Zwischen „alter Eva“ und „neuer Frau“. In: Literatur und bürgerliche Frauenbewegung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Forschungsberichte und Studien. Hamburg, S. 90-109. URL: https://core.ac.uk/download/pdf/14520311.pdf, (18.09.2019).
Sanders, Daniel (1906): Geschichte der deutschen Literatur. Rev. u. bearb. u. von Goethes Tod bis zur Gegenwart fortgef. von Julius Dumcke. Berlin, S. 161.
Sergel, Albert (1924): Saat und Ernte die Lyrik unserer Tage. In Selbstauswahlen der Dichter und Dichterinnen. Mit kurzen Eigenbiographien und Angabe ihrer Werke. Berlin, Leipzig 1924.
Wichtel, Wichtel (1907): Münchner Dichterinnen. In: Über Land und Meer. Deutsche Illustrierte Zeitung, 98. Bd., 49. Jg., Nr. 33, S. 838.
Wolzogen, Ernst (1922): Wie ich mich ums Leben brachte. Braunschweig/Hamburg, S. 184.