Eva von Baudissin
Eva Gräfin von Baudissin wird am 8. Oktober 1869 als Eva Türk in Lübeck geboren. Ihr Vater ist der Arzt des damaligen Staates Lübeck und Oberstabsarzt des preußischen Heeres. Durch ihn gehört Eva von Baudissin einem alten Professorengeschlecht an. Ihr Großvater Karl Türk (1800-1887) ist ein bekannter Rechtshistoriker und Politiker. Ihre aus einer dänischen Reederfamilie stammende Mutter Emmy Eschricht (1834-1900) hat eine Ausbildung als Malerin erhalten und arbeitet ab 1890 auch erfolgreich als Schriftstellerin. Durch ihre Mutter ist Eva Türk zudem mit dem Dichter Christian Friedrich Scherenberg (1798-1881) verwandt. Ihr Bruder ist der nachmalige Marineoffizier und Admiral Titus Türk, der während des Ersten Weltkrieges bei Brügge in Flandern als Adjudant des Admirals Schröder dient und nach seiner Verabschiedung ab 1919 in Lübeck auch für die Skagerak-Gesellschaft wirkt.
Eva Gräfin von Baudissin wächst in der alten Hansestadt in einem wohlhabenden hochkultivierten Elternhaus auf. Schon als Kind lernt sie auf Reisen mit der Familie die Welt kennen. Nach der höheren Privatschule für Mädchen absolviert sie eine Ausbildung zur Lehrerin und macht 1888 das Examen. Nachdem sie einige Zeit in England zugebracht hat, arbeitet sie als Lehrerin. Am 5. Januar 1891 heiratet Eva Türk den Second-Lieutenant Wolf Ernst Hugo Emil Graf von Baudissin (1867-1926) und zieht mit ihm nach Hamburg. Sein Vater ist der Deichgraf, Schriftsteller, Verleger und Journalist Adalbert Heinrich Graf von Baudissin (1820-1871). Unmittelbar nach ihrer Heirat beginnen sie auf den Rat von Evas Mutter auch als Schriftsteller zu arbeiten. Beide bedienen sich eines Pseudonyms, der für Eva von Baudissin „Bernhard von Brandenburg“ lautet und für Wolf von Baudissin „Freiherr von Schlicht“. Beide arbeiten bald höchst erfolgreich als Schriftsteller. Bereits im März 1892 veröffentlicht Eva von Baudissin ihr erstes Werk: Das Wegdewood-Weibchen, das in der Zeitschrift Zeitgeist erscheint. Weitere Erzählungen und Novellen folgen. 1894 zieht das Paar nach Schleswig, wohin Wolf von Baudissin versetzt wird; in diesem Jahr wird auch Sohn Wolf geboren. Unter „Graf und Gräfin Baudissin“ bringen sie 1901 zusammen den Ratgeber Spaemans goldenes Buch der Sitte heraus. Er wird ein Bestseller, erscheint in mehreren Auflagen und entwickelt sich im frühen 20. Jahrhundert zu einem Standardwerk des guten Tons.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewinnt die Autorin einen in Köln ausgesetzten literarischen Preis mit ihrer Humoreske Das göttliche Auge. Seit der Jahrhundertwende bringt sie mittlerweile auch unter ihrem richtigen Namen einen Roman nach dem anderen auf den Markt: 1898 Auf der Grenze und Liebeskämpfe, 1900 Glück und Der gute Erich, 1903 Im engen Kreis, 1904 Treibende Wracks, 1905 Grete Wolters und 1906 Eine glückliche Hand. 1906 lassen sich Wolf und Eva von Baudissin scheiden. In diesem Jahr veröffentlicht sie ein Theaterstück: Die Entlobten. Lustspiel in drei Akten. Es erscheint in einem Berliner Verlag und erfährt zahlreiche Aufführungen. Ihr autobiographischer Roman Im Laufgraben von 1907 wird sogar in 40.0000 Exemplaren gedruckt.
1908 lässt sich die Schriftstellerin mit ihrem dreizehnjährigen Sohn in München nieder, das damals als geistig freieste und am wenigsten vorurteilsfreie Stadt gilt. Sie zieht nach Schwabing, wohnt zuerst in der Ohmstrasse 14, ab 1935 dann in der Franz-Joseph-Straße 36. Als Schriftstellerin ist sie zu diesem Zeitpunkt deutschlandweit bekannt. Auch an ihrem neuen Wohnsitz ist sie hochproduktiv als Romanautorin. Mehrere ihrer Bücher erreichen in diesem und nächstem Jahrzehnt eine 2., sogar 3. Auflage, so auch Aus Liebe zu Russland (1911), das sie dem „Dichterfürsten“ Paul Heyse widmet. Sie arbeitet höchst erfolgreich als Journalistin, schreibt Feuilletons, Essays und Skizzen für die Münchner Neuesten Nachrichten, die Wiener Zeit, die Berliner Morgenpost, die Hamburger Nachrichten, die Kölnische Zeitung. Auch für Rundfunk und Film ist sie tätig. Seit sie in München lebt, betätigt sich Eva von Baudissin darüber hinaus als Hochalpinistin, veröffentlicht 1909 mit Alfred Steinitzer Spemanns goldenes Buch des Sports. Eine Hauskunde für jedermann und 1914 das vielgedruckte und noch heute in Alpinistenkreisen bekannte Sie am Seil.
1912 wird Eva von Baudissin Mitglied im Münchner Verein für Fraueninteressen und damit Teil der bürgerlichen Frauenbewegung Bayerns. 1913 tritt sie zudem in den Münchner Schriftstellerinnen-Verein ein, der von den Schriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen Emma Haushofer-Merk und Carry Brachvogel in diesem Jahr gegründet wird. Mit beiden Frauen steht sie in engem Kontakt. Anfang 1914, wenige Monate vor Beginn des Ersten Weltkrieges, gründet Eva von Baudissin (zusammen mit Anna Chamberlain) den „Münchner Frauenclub“, eine Vereinigung von Schriftstellerinnen, Kunstmalerinnen, Bildhauerinnen und künstlerisch interessierten Frauen. Sein vorrangiges Ziel ist es, den geistig schaffenden Frauen eine Plattform zu einem internationalen Austausch zu geben. Gemeinsame Ausflüge sollen auch dazu dienen, unbekannte Orte zu besuchen und für den Tourismus zu erschließen.
Während des Ersten Weltkrieges engagiert sie sich in den Münchner Vereinen für Kriegshilfe und schreibt Romane und Artikel, in denen sie den Krieg zur Sprache bringt. Ihr Kriegsroman Die Laterne über der Tür von 1917 erlebt große Erfolge. Nach Kriegsende fühlt sie sich innerlich gebrochen, verstärkt dadurch, dass ihr Sohn 1920 an Tuberkulose stirbt, die er sich auf den Schlachtfeldern zugezogen hat. Die bis 1923 dauernde Inflation nimmt ihr nun auch ihr Vermögen. Bald lebt sie in ständiger finanzieller Sorge, schreibt seit den 1920er-Jahren kaum noch Romane, da es schwierig ist, für andere als polemisierende Literatur über Fragen des Tages einen Verleger zu finden.
Als Emma Haushofer-Merk, die erste Vorsitzende des Münchner Schriftstellerinnen-Vereins, 1925 stirbt und Carry Brachvogel den Vorsitz übernimmt, wird Eva von Baudissin 1927 zur zweiten Vorsitzenden gewählt. Sieben Jahre lang leiten die beiden Münchner Schriftstellerinnen nun gemeinsam den ersten bayerischen Schriftstellerinnen-Verein.
Als die Nationalsozialisten 1933 die Herrschaft übernehmen, erhält Carry Brachvogel wegen ihrer jüdischen Herkunft Berufs- und Publikationsverbot. Als es Ende November zur Auflösung des Schriftstellerinnen-Vereins kommt, wird Baudissin zur Liquidatorin bestimmt. Kaum drei Monate später versucht der österreichische Rassentheoretiker Otto Hauser (1876-1944), damals bekannt als Verfasser zahlreicher rassistischer Abhandlungen und Hetzschriften (darunter Die Juden und Halbjuden in der deutschen Literatur) Baudissin eine jüdische Herkunft nachzuweisen und sie als Schriftstellerin zu vernichten. Es gelingt ihr allerdings, ihre „arische Abstammung“ bei den einschlägigen Stellen nachzuweisen. Tatsache ist, dass sie noch bis 1938 publiziert. Bis zu diesem Zeitpunkt finden sich Artikel von ihr in Zeitungen, z.B. über Theateraufführungen, Kunst- und Architekturausstellungen, und bis dahin veröffentlicht sie auch Bücher. 1936 bringt sie Holidays in Bavaria, einen Reiseführer in englischer Sprache im Münchner Hugendubel Verlag heraus. 1937 erlebt sie ihren letzten großen Erfolg mit dem Roman Königin der Tränen. Wilhelmine Schröder-Devrient. Der Schicksalsweg einer großen Künstlerin.
Dass sie bis zu diesem Zeitpunkt auch im Ausland eine bekannte und anerkannte deutsche Schriftstellerin ist, davon zeugt eine Schrift des in Gent lehrenden belgischen Literaturprofessors Robert Foncke (1889-1972). In der März-Nummer des Jahres 1936 der flämischen Monatszeitschrift De Vlaamsche Gids bringt er ein großangelegtes Porträt über Eva Gräfin von Baudissin, das auch als Einzelpublikation erscheint. Baudissins Roman Die Laterne über der Tür (1917) stellt er hier als ein repräsentatives Werk der Schriftstellerin vor und als einen der besten Kriegsromane.
Nach 1938 reißen die Nachrichten über Eva von Baudissin ab; was sie in den letzten Jahren ihres Lebens gemacht hat, ist unbekannt. Sie stirbt am 11. Februar 1943 mit 74 Jahren in München. Der von Baudissin 1914 gegründete „Münchner Frauenklub“ findet ebenfalls um 1938 sein Ende. Leben und Werk Eva von Baudissins sind heute genauso vergessen wie das vieler anderer Schriftstellerinnen, die im 19. Jahrhundert geboren werden, obwohl sie im frühen 20. Jahrhundert als eine Schriftstellerin ersten Ranges gilt.
Sekundärliteratur:
Foncke, Robert (1936): Over Eva Graefin von Baudissin. Gent.
Richardsen, Ingvild (2017): Porträt Eva Gräfin von Baudissin. In: Auf den Spuren der vergessenen Dichterinnen von Frauenchiemsee. Volk Verlag, München.
Externe Links:
Literatur von Eva von Baudissin im BVB
Literatur über Eva von Baudissin im BVB
Nachlass von Eva von Baudissin in bavarikon
Eva Gräfin von Baudissin wird am 8. Oktober 1869 als Eva Türk in Lübeck geboren. Ihr Vater ist der Arzt des damaligen Staates Lübeck und Oberstabsarzt des preußischen Heeres. Durch ihn gehört Eva von Baudissin einem alten Professorengeschlecht an. Ihr Großvater Karl Türk (1800-1887) ist ein bekannter Rechtshistoriker und Politiker. Ihre aus einer dänischen Reederfamilie stammende Mutter Emmy Eschricht (1834-1900) hat eine Ausbildung als Malerin erhalten und arbeitet ab 1890 auch erfolgreich als Schriftstellerin. Durch ihre Mutter ist Eva Türk zudem mit dem Dichter Christian Friedrich Scherenberg (1798-1881) verwandt. Ihr Bruder ist der nachmalige Marineoffizier und Admiral Titus Türk, der während des Ersten Weltkrieges bei Brügge in Flandern als Adjudant des Admirals Schröder dient und nach seiner Verabschiedung ab 1919 in Lübeck auch für die Skagerak-Gesellschaft wirkt.
Eva Gräfin von Baudissin wächst in der alten Hansestadt in einem wohlhabenden hochkultivierten Elternhaus auf. Schon als Kind lernt sie auf Reisen mit der Familie die Welt kennen. Nach der höheren Privatschule für Mädchen absolviert sie eine Ausbildung zur Lehrerin und macht 1888 das Examen. Nachdem sie einige Zeit in England zugebracht hat, arbeitet sie als Lehrerin. Am 5. Januar 1891 heiratet Eva Türk den Second-Lieutenant Wolf Ernst Hugo Emil Graf von Baudissin (1867-1926) und zieht mit ihm nach Hamburg. Sein Vater ist der Deichgraf, Schriftsteller, Verleger und Journalist Adalbert Heinrich Graf von Baudissin (1820-1871). Unmittelbar nach ihrer Heirat beginnen sie auf den Rat von Evas Mutter auch als Schriftsteller zu arbeiten. Beide bedienen sich eines Pseudonyms, der für Eva von Baudissin „Bernhard von Brandenburg“ lautet und für Wolf von Baudissin „Freiherr von Schlicht“. Beide arbeiten bald höchst erfolgreich als Schriftsteller. Bereits im März 1892 veröffentlicht Eva von Baudissin ihr erstes Werk: Das Wegdewood-Weibchen, das in der Zeitschrift Zeitgeist erscheint. Weitere Erzählungen und Novellen folgen. 1894 zieht das Paar nach Schleswig, wohin Wolf von Baudissin versetzt wird; in diesem Jahr wird auch Sohn Wolf geboren. Unter „Graf und Gräfin Baudissin“ bringen sie 1901 zusammen den Ratgeber Spaemans goldenes Buch der Sitte heraus. Er wird ein Bestseller, erscheint in mehreren Auflagen und entwickelt sich im frühen 20. Jahrhundert zu einem Standardwerk des guten Tons.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewinnt die Autorin einen in Köln ausgesetzten literarischen Preis mit ihrer Humoreske Das göttliche Auge. Seit der Jahrhundertwende bringt sie mittlerweile auch unter ihrem richtigen Namen einen Roman nach dem anderen auf den Markt: 1898 Auf der Grenze und Liebeskämpfe, 1900 Glück und Der gute Erich, 1903 Im engen Kreis, 1904 Treibende Wracks, 1905 Grete Wolters und 1906 Eine glückliche Hand. 1906 lassen sich Wolf und Eva von Baudissin scheiden. In diesem Jahr veröffentlicht sie ein Theaterstück: Die Entlobten. Lustspiel in drei Akten. Es erscheint in einem Berliner Verlag und erfährt zahlreiche Aufführungen. Ihr autobiographischer Roman Im Laufgraben von 1907 wird sogar in 40.0000 Exemplaren gedruckt.
1908 lässt sich die Schriftstellerin mit ihrem dreizehnjährigen Sohn in München nieder, das damals als geistig freieste und am wenigsten vorurteilsfreie Stadt gilt. Sie zieht nach Schwabing, wohnt zuerst in der Ohmstrasse 14, ab 1935 dann in der Franz-Joseph-Straße 36. Als Schriftstellerin ist sie zu diesem Zeitpunkt deutschlandweit bekannt. Auch an ihrem neuen Wohnsitz ist sie hochproduktiv als Romanautorin. Mehrere ihrer Bücher erreichen in diesem und nächstem Jahrzehnt eine 2., sogar 3. Auflage, so auch Aus Liebe zu Russland (1911), das sie dem „Dichterfürsten“ Paul Heyse widmet. Sie arbeitet höchst erfolgreich als Journalistin, schreibt Feuilletons, Essays und Skizzen für die Münchner Neuesten Nachrichten, die Wiener Zeit, die Berliner Morgenpost, die Hamburger Nachrichten, die Kölnische Zeitung. Auch für Rundfunk und Film ist sie tätig. Seit sie in München lebt, betätigt sich Eva von Baudissin darüber hinaus als Hochalpinistin, veröffentlicht 1909 mit Alfred Steinitzer Spemanns goldenes Buch des Sports. Eine Hauskunde für jedermann und 1914 das vielgedruckte und noch heute in Alpinistenkreisen bekannte Sie am Seil.
1912 wird Eva von Baudissin Mitglied im Münchner Verein für Fraueninteressen und damit Teil der bürgerlichen Frauenbewegung Bayerns. 1913 tritt sie zudem in den Münchner Schriftstellerinnen-Verein ein, der von den Schriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen Emma Haushofer-Merk und Carry Brachvogel in diesem Jahr gegründet wird. Mit beiden Frauen steht sie in engem Kontakt. Anfang 1914, wenige Monate vor Beginn des Ersten Weltkrieges, gründet Eva von Baudissin (zusammen mit Anna Chamberlain) den „Münchner Frauenclub“, eine Vereinigung von Schriftstellerinnen, Kunstmalerinnen, Bildhauerinnen und künstlerisch interessierten Frauen. Sein vorrangiges Ziel ist es, den geistig schaffenden Frauen eine Plattform zu einem internationalen Austausch zu geben. Gemeinsame Ausflüge sollen auch dazu dienen, unbekannte Orte zu besuchen und für den Tourismus zu erschließen.
Während des Ersten Weltkrieges engagiert sie sich in den Münchner Vereinen für Kriegshilfe und schreibt Romane und Artikel, in denen sie den Krieg zur Sprache bringt. Ihr Kriegsroman Die Laterne über der Tür von 1917 erlebt große Erfolge. Nach Kriegsende fühlt sie sich innerlich gebrochen, verstärkt dadurch, dass ihr Sohn 1920 an Tuberkulose stirbt, die er sich auf den Schlachtfeldern zugezogen hat. Die bis 1923 dauernde Inflation nimmt ihr nun auch ihr Vermögen. Bald lebt sie in ständiger finanzieller Sorge, schreibt seit den 1920er-Jahren kaum noch Romane, da es schwierig ist, für andere als polemisierende Literatur über Fragen des Tages einen Verleger zu finden.
Als Emma Haushofer-Merk, die erste Vorsitzende des Münchner Schriftstellerinnen-Vereins, 1925 stirbt und Carry Brachvogel den Vorsitz übernimmt, wird Eva von Baudissin 1927 zur zweiten Vorsitzenden gewählt. Sieben Jahre lang leiten die beiden Münchner Schriftstellerinnen nun gemeinsam den ersten bayerischen Schriftstellerinnen-Verein.
Als die Nationalsozialisten 1933 die Herrschaft übernehmen, erhält Carry Brachvogel wegen ihrer jüdischen Herkunft Berufs- und Publikationsverbot. Als es Ende November zur Auflösung des Schriftstellerinnen-Vereins kommt, wird Baudissin zur Liquidatorin bestimmt. Kaum drei Monate später versucht der österreichische Rassentheoretiker Otto Hauser (1876-1944), damals bekannt als Verfasser zahlreicher rassistischer Abhandlungen und Hetzschriften (darunter Die Juden und Halbjuden in der deutschen Literatur) Baudissin eine jüdische Herkunft nachzuweisen und sie als Schriftstellerin zu vernichten. Es gelingt ihr allerdings, ihre „arische Abstammung“ bei den einschlägigen Stellen nachzuweisen. Tatsache ist, dass sie noch bis 1938 publiziert. Bis zu diesem Zeitpunkt finden sich Artikel von ihr in Zeitungen, z.B. über Theateraufführungen, Kunst- und Architekturausstellungen, und bis dahin veröffentlicht sie auch Bücher. 1936 bringt sie Holidays in Bavaria, einen Reiseführer in englischer Sprache im Münchner Hugendubel Verlag heraus. 1937 erlebt sie ihren letzten großen Erfolg mit dem Roman Königin der Tränen. Wilhelmine Schröder-Devrient. Der Schicksalsweg einer großen Künstlerin.
Dass sie bis zu diesem Zeitpunkt auch im Ausland eine bekannte und anerkannte deutsche Schriftstellerin ist, davon zeugt eine Schrift des in Gent lehrenden belgischen Literaturprofessors Robert Foncke (1889-1972). In der März-Nummer des Jahres 1936 der flämischen Monatszeitschrift De Vlaamsche Gids bringt er ein großangelegtes Porträt über Eva Gräfin von Baudissin, das auch als Einzelpublikation erscheint. Baudissins Roman Die Laterne über der Tür (1917) stellt er hier als ein repräsentatives Werk der Schriftstellerin vor und als einen der besten Kriegsromane.
Nach 1938 reißen die Nachrichten über Eva von Baudissin ab; was sie in den letzten Jahren ihres Lebens gemacht hat, ist unbekannt. Sie stirbt am 11. Februar 1943 mit 74 Jahren in München. Der von Baudissin 1914 gegründete „Münchner Frauenklub“ findet ebenfalls um 1938 sein Ende. Leben und Werk Eva von Baudissins sind heute genauso vergessen wie das vieler anderer Schriftstellerinnen, die im 19. Jahrhundert geboren werden, obwohl sie im frühen 20. Jahrhundert als eine Schriftstellerin ersten Ranges gilt.
Foncke, Robert (1936): Over Eva Graefin von Baudissin. Gent.
Richardsen, Ingvild (2017): Porträt Eva Gräfin von Baudissin. In: Auf den Spuren der vergessenen Dichterinnen von Frauenchiemsee. Volk Verlag, München.