Karl Stern
„Als ich zehn Jahre alt war, ging ich ‚in die Fremde‘. Ebenburg ist eine trostlose, graue Industriestadt im östlichen Bayern, nicht weit entfernt von den Geburtsstätten der Komponisten Gluck und Reger. Nicht nur in meiner Erinnerung ist die Stadt so grau und trostlos; ich konnte mich noch einmal bei einem späteren Besuch davon überzeugen“, so beginnt der autobiographische Roman Die Feuerwolke (Salzburg 1954, amerikan. Originaltitel The Pillar of Fire, 1951) des späteren (kanadischen) Professors für Neurologie und Psychatrie Karl Stern, der als jüdischer Schüler von Cham ans Humanistische Gymnasium (heute Augustinus-Gymnasium) in die Industrie-, Porzellan- und Eisenbahnerstadt Weiden kommt, romanhaft als „Ebenburg“ verfremdet.
Karl Stern ist in Weiden im Haus des jüdischen Lehrers untergebracht, „das gerade gegenüber dem Gymnasium lag.“ Es ist die Zeit des Ersten Weltkriegs, der Bruder des Lehrers „war in Uniform“. Die Blicke des Knaben richten sich aus dem Fenster an Grete, die Tochter des Hausmeisters. „Langsam dämmerte es mir, daß ‚die Fremde‘ etwas völlig Verschiedenes von ‚zu Hause‘ sein müsse; es war ein anderer Kosmos.“
Über die Welt seiner Eltern (Textilgeschäft Moritz Stern in Cham) schreibt Karl Stern, sie habe „aus einer sonderbaren Mischung von politischem Liberalismus, Agnostizismus, Lessings Toleranz und Ideen von Goethe und sogar Nietzsches“ bestanden. Um 1920 zählt Karl Sterns Geburtsort, die oberpfälzische Salzhandel-Stadt Cham, 81 jüdische Einwohner, das entspricht 1,8 % der Einwohnerschaft von etwa 4500. Jüdische Kaufleute und Händler spielen damals eine bedeutende Rolle im Geschäftsleben. Die Freiwillige Feuerwehr Cham hat sogar 5 jüdische Mitglieder.
In seiner romanhaften Autobiographie – die in den 50ern ein Bestseller ist – schildert Karl Stern anschaulich die Zeit des Ersten Weltkriegs, die Jugendbewegung der 20er-Jahre, die Weimarer Zeit, den aufkommenden Faschismus in Bayern.
1939 emigriert Karl Stern über England nach Kanada, wo er später Professor und Klinikchef in Ottawa wird.
Interessant zu verfolgen sind auch seine religiös-philosophischen Betrachtungen. Karl Stern konvertiert schließlich zum Katholizismus. 1956 erscheint von ihm Die dritte Revolution. Psychiatrie und Religion und 1968 Die Flucht vor dem Weibe.
Cham erinnert an den großen Sohn ihrer Stadt mit der Dr.-Karl-Stern-Straße unweit des Landratsamtes.
Sekundärliteratur:
Baron, Bernhard M. (20074): Weiden in der Literaturgeographie. Eine Literaturgeschichte (Weidner Heimatkundliche Arbeiten Nr. 21). Weiden i.d. OPf., S. 34-37.
Bullemer, Timo (2003): Die hiesigen Juden sind in Cham alteingesessen… Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hg. vom Stadtarchiv Cham (Bausteine zur Geschichte und Kultur der Stadt Cham, Bd. 1), Cham.
Externe Links:
Literatur von Karl Stern im BVB
Die Flucht vor dem Weiblichen – Eine Pathologie des Zeitgeistes (Teil 1)
Die Flucht vor der Frau – Eine Pathologie des Zeitgeistes (Teil 2)
„Als ich zehn Jahre alt war, ging ich ‚in die Fremde‘. Ebenburg ist eine trostlose, graue Industriestadt im östlichen Bayern, nicht weit entfernt von den Geburtsstätten der Komponisten Gluck und Reger. Nicht nur in meiner Erinnerung ist die Stadt so grau und trostlos; ich konnte mich noch einmal bei einem späteren Besuch davon überzeugen“, so beginnt der autobiographische Roman Die Feuerwolke (Salzburg 1954, amerikan. Originaltitel The Pillar of Fire, 1951) des späteren (kanadischen) Professors für Neurologie und Psychatrie Karl Stern, der als jüdischer Schüler von Cham ans Humanistische Gymnasium (heute Augustinus-Gymnasium) in die Industrie-, Porzellan- und Eisenbahnerstadt Weiden kommt, romanhaft als „Ebenburg“ verfremdet.
Karl Stern ist in Weiden im Haus des jüdischen Lehrers untergebracht, „das gerade gegenüber dem Gymnasium lag.“ Es ist die Zeit des Ersten Weltkriegs, der Bruder des Lehrers „war in Uniform“. Die Blicke des Knaben richten sich aus dem Fenster an Grete, die Tochter des Hausmeisters. „Langsam dämmerte es mir, daß ‚die Fremde‘ etwas völlig Verschiedenes von ‚zu Hause‘ sein müsse; es war ein anderer Kosmos.“
Über die Welt seiner Eltern (Textilgeschäft Moritz Stern in Cham) schreibt Karl Stern, sie habe „aus einer sonderbaren Mischung von politischem Liberalismus, Agnostizismus, Lessings Toleranz und Ideen von Goethe und sogar Nietzsches“ bestanden. Um 1920 zählt Karl Sterns Geburtsort, die oberpfälzische Salzhandel-Stadt Cham, 81 jüdische Einwohner, das entspricht 1,8 % der Einwohnerschaft von etwa 4500. Jüdische Kaufleute und Händler spielen damals eine bedeutende Rolle im Geschäftsleben. Die Freiwillige Feuerwehr Cham hat sogar 5 jüdische Mitglieder.
In seiner romanhaften Autobiographie – die in den 50ern ein Bestseller ist – schildert Karl Stern anschaulich die Zeit des Ersten Weltkriegs, die Jugendbewegung der 20er-Jahre, die Weimarer Zeit, den aufkommenden Faschismus in Bayern.
1939 emigriert Karl Stern über England nach Kanada, wo er später Professor und Klinikchef in Ottawa wird.
Interessant zu verfolgen sind auch seine religiös-philosophischen Betrachtungen. Karl Stern konvertiert schließlich zum Katholizismus. 1956 erscheint von ihm Die dritte Revolution. Psychiatrie und Religion und 1968 Die Flucht vor dem Weibe.
Cham erinnert an den großen Sohn ihrer Stadt mit der Dr.-Karl-Stern-Straße unweit des Landratsamtes.
Baron, Bernhard M. (20074): Weiden in der Literaturgeographie. Eine Literaturgeschichte (Weidner Heimatkundliche Arbeiten Nr. 21). Weiden i.d. OPf., S. 34-37.
Bullemer, Timo (2003): Die hiesigen Juden sind in Cham alteingesessen… Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hg. vom Stadtarchiv Cham (Bausteine zur Geschichte und Kultur der Stadt Cham, Bd. 1), Cham.