Dezember
Zur Reihe: In Aufs Jahr geschaut widmet sich jeweils eine Autorin oder ein Autor des Literaturportals Bayern auf literarisch-künstlerische Weise einer Jahreszeit und gewinnt dieser im Format eines monatlichen Beitrags poetische, politische, alltagssensibel-lyrische oder bildhafte Reflektionen ab, welche die Leserschaft einmal ganz anders „aufs Jahr schauen“ lässt. In den Monaten Oktober, November und Dezember „blickt“ für uns auf den Herbst die Autorin Birgit Müller-Wieland.
*
Wunschdenken
Der Kranz ist da. Er liegt am Tisch und duftet nicht.
Gleich wird er gerammt mit spitzen Dingen.
Wir wenden uns jetzt dem Wahren zu, dem Licht
und Kerzenwachs. Schlürfen an nasskalten Ständen
uns den Glühwein schön, schon finden Wichtel sich,
Engel und zarte Herzen – jetzt nur nicht fluchen! – in
mürbevollem Teig.
Einen Wunsch, ach, soll ich senden? Nun, lass uns einfach
einen Leuchtkurs buchen, uns heiteren Sinns verschwenden,
nicht wieder in zwiebelgesichtigem Zeitvertreib.
Wie es wirklich ist 1
Ansteckend ist das Stürzen derzeit brichts und
bröselts bröckelts sprengts die Augen
reiben wir uns in die Wüsten rufen wir die Wüsten aber
rufen flugs zurück mit rotem Staub und
alle Notrufnummern blinken
sind besetzt besetzt besetzt
Wie es wirklich ist 2
Die Dunkelflaute gibt es jetzt und den schwindenden Schneehasen
Die Dubai-Schokolade gibt es unter der Erde Folterkeller
den Feuertanz auf der Ex-Tyrannen-Statue
Die schlagende Verbindung von Zottelkostüm
und Mann gibt es die Frau an der Haltestelle
die unentwegt schreit ICHBINEINBUNKER ICHBINAUSBETON
Er
Wir schleppen ihn herbei, den Baum. Er wohnt nun am Balkon,
den Holzfuß in der Kanne, wir spürn, der hat die Unruh, wir
sollten ihn vom Nylonnetz befrein. Sie wird schon kommen,
deine Zeit, so reden wir ihm zu. Und plaudern ihm was vor
von Lichterschein, den Glitzerkugeln, Engelshaar, er schüttelt
sich, das gefällt ihm nicht, partout will er da raus.
Vielleicht, oje, möcht er zurück in seinen Wald? Wir flüstern,
damit er uns nicht hört: Da ist kein Wald mehr, nur ein
leeres Feld. Wir sagen, sei nicht so störrisch, lieber Baum.
Wir zeigen ihm die süßen Sachen. Schau, wie das duftet.
Bald hängt das auf dir drauf, der ganze Schmuck. Und was
macht er – er bäumt sich auf, gleich geht hier was kaputt!
Kann, flüsterst du, ein Baum das haben, ADHS? Ehrlich gesagt,
sag ich, mir fehlt dafür die Fantasie. Am Balkon schwingts nun
mit neuer Energie. Die Kanne scheppert. Macht der jetzt einen Sprung?
Wir geben auf und holn ihn ungefragt herein.
So einen Exzess wie dieses Jahr, den hatten wir noch nie!
Dezemberglück
Die Heizung aufdrehen es wird warm Hunger haben der Kühlschrank ist gefüllt
Nachts schlafen ohne jeden Alarm eine Arbeit haben lachen streiten es gilt
das Vertrauen das ist keine Frage es gilt das Streichen über eine Stirn
das Halten einer zitternden Hand
Dezember>
Zur Reihe: In Aufs Jahr geschaut widmet sich jeweils eine Autorin oder ein Autor des Literaturportals Bayern auf literarisch-künstlerische Weise einer Jahreszeit und gewinnt dieser im Format eines monatlichen Beitrags poetische, politische, alltagssensibel-lyrische oder bildhafte Reflektionen ab, welche die Leserschaft einmal ganz anders „aufs Jahr schauen“ lässt. In den Monaten Oktober, November und Dezember „blickt“ für uns auf den Herbst die Autorin Birgit Müller-Wieland.
*
Wunschdenken
Der Kranz ist da. Er liegt am Tisch und duftet nicht.
Gleich wird er gerammt mit spitzen Dingen.
Wir wenden uns jetzt dem Wahren zu, dem Licht
und Kerzenwachs. Schlürfen an nasskalten Ständen
uns den Glühwein schön, schon finden Wichtel sich,
Engel und zarte Herzen – jetzt nur nicht fluchen! – in
mürbevollem Teig.
Einen Wunsch, ach, soll ich senden? Nun, lass uns einfach
einen Leuchtkurs buchen, uns heiteren Sinns verschwenden,
nicht wieder in zwiebelgesichtigem Zeitvertreib.
Wie es wirklich ist 1
Ansteckend ist das Stürzen derzeit brichts und
bröselts bröckelts sprengts die Augen
reiben wir uns in die Wüsten rufen wir die Wüsten aber
rufen flugs zurück mit rotem Staub und
alle Notrufnummern blinken
sind besetzt besetzt besetzt
Wie es wirklich ist 2
Die Dunkelflaute gibt es jetzt und den schwindenden Schneehasen
Die Dubai-Schokolade gibt es unter der Erde Folterkeller
den Feuertanz auf der Ex-Tyrannen-Statue
Die schlagende Verbindung von Zottelkostüm
und Mann gibt es die Frau an der Haltestelle
die unentwegt schreit ICHBINEINBUNKER ICHBINAUSBETON
Er
Wir schleppen ihn herbei, den Baum. Er wohnt nun am Balkon,
den Holzfuß in der Kanne, wir spürn, der hat die Unruh, wir
sollten ihn vom Nylonnetz befrein. Sie wird schon kommen,
deine Zeit, so reden wir ihm zu. Und plaudern ihm was vor
von Lichterschein, den Glitzerkugeln, Engelshaar, er schüttelt
sich, das gefällt ihm nicht, partout will er da raus.
Vielleicht, oje, möcht er zurück in seinen Wald? Wir flüstern,
damit er uns nicht hört: Da ist kein Wald mehr, nur ein
leeres Feld. Wir sagen, sei nicht so störrisch, lieber Baum.
Wir zeigen ihm die süßen Sachen. Schau, wie das duftet.
Bald hängt das auf dir drauf, der ganze Schmuck. Und was
macht er – er bäumt sich auf, gleich geht hier was kaputt!
Kann, flüsterst du, ein Baum das haben, ADHS? Ehrlich gesagt,
sag ich, mir fehlt dafür die Fantasie. Am Balkon schwingts nun
mit neuer Energie. Die Kanne scheppert. Macht der jetzt einen Sprung?
Wir geben auf und holn ihn ungefragt herein.
So einen Exzess wie dieses Jahr, den hatten wir noch nie!
Dezemberglück
Die Heizung aufdrehen es wird warm Hunger haben der Kühlschrank ist gefüllt
Nachts schlafen ohne jeden Alarm eine Arbeit haben lachen streiten es gilt
das Vertrauen das ist keine Frage es gilt das Streichen über eine Stirn
das Halten einer zitternden Hand